Deutscher ESC-Vorentscheid: Unbekümmerte Frauenpower

Das Duo „S!sters“ gewinnt die Vorentscheidung zum ESC auch dank Publikumshöchstwertung. Die antiisraelische BDS-Kampagne ist auch vor Ort.

Zwei Frauen

„S!sters“ gewinnt den Vorentscheid für den ESC und fährt im Mai nach Israel Foto: dpa

BERLIN taz | Jüngst erst wurden sie, die nie zuvor in einem Duo gesungen haben, zu einer Zweier-Frauengruppe zusammengecastet – „nicht wir haben uns gefunden, sondern das Lied fand uns“, sagte die eine von beiden, Laurita Spinelli. Die andere, Carlotta Truman, pflichtete ihr bei, zumal beim Jubel, als feststand, dass sie als „S!sters“ mit dem Titel „Sister“ den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest, gewonnen hatte.

Ihr Titel, geschrieben von einem internationalen Autor*inneteam, handelt vom Vorsatz, als Frauen miteinander schwesterlich umzugehen, auf Zickenkriege zu verzichten, auf Giftereien – auf Hass, der zu nichts führe.

Wenn man so will, hat das deutsche Televotingpublikum damit seine Zustimmung zu zwei definitiv unbekümmert und angstfrei performenden Sängerinnen ausgedrückt – als Statement zur sich immer weiter popularisierenden #metoo-und-die-Konsequenzen-Debatte. „S!sters“, deren Namen mit Ausrufezeichen zu schreiben sei, wie es aus deren Team hieß – was auch immer das zu bedeuten haben könnte –, waren bei der ARD-Show „Unser Lied für Israel“ die einzigen der sieben Acts, die zwar mit Lampenfieber, aber ohne Spitzenerwartungen zu Werke gingen.

Die anderen, etwa Makeda, BB Thomaz, Aly Ryan (der modernste Act unter allen), Lily among clouds sowie die beiden Solisten Linus Bruhn und Gregor Hägele, verhedderten sich öfter als selbst gewünscht in den Tönen – allesamt waren sie, die meist selbst für ihre Lieder als Komponisten und Texter verantwortlich waren, irgendwie von übergroßer Nervosität heimgesucht, besonders die beiden Jungmänner.

„S!sters“ hingegen hofften, so sagten sie zuvor, auf nichts – und hatten am Ende viele Sympathien bei den Jurys auf ihrer Seite, den Jackpot aber knackten sie mit dem Televoting der ARD-Zuschauer*innen – zwölf Punkte, die Höchstwertung.

Eine musizierende BDS-Kampagne

2,84 Millionen Menschen guckten die Show, das ist für den Sender ein guter Wert – womöglich hatte das öffentliche Interesse mit dem vorjährigen deutschen ESC-Kandidaten Michael Schulte zu tun, der in Lissabon beim ESC den vierten Platz schaffte und am Freitagabend aus Berlin die Show mitkommentierte. Neben ihm, der durch den ESC zu einem erfolgreichen Künstler im deutschen Pop 2018 wurde, traten auch Lena Meyer-Landrut, Andreas Bourani, die Band Revolverheld sowie der „All German Pop Hero“ Udo Lindenberg auf.

Die antiisraelische Szene rund um die BDS-Kampagne trat auch in Berlin-Adlershof auf, allerdings vor dem Studio, aus dem die Show übertragen wurde.

„S!sters“ treten am 18. Mai beim Finale des ESC in Tel Aviv. In den internationalen Wetten werden sie als deutscher Act auf einem vorderen Platz gehandelt. Als Favorit gilt bislang der Italiener Mahmood mit seinem Lied „Soldi“.

Die antiisraelische Szene rund um die BDS-Kampagne trat auch in Berlin-Adlershof auf, allerdings vor dem Studio, aus dem die Show übertragen wurde. Gut drei dutzend Menschen agitierten das ankommende Saalpublikum nicht allein mit einem Flugblatt, auf dem das Eurovisionslogo mit Stacheldraht zu sehen war, darunter die Überschrift „Artwashing Apartheid“, sondern auch mit Gesang, der vorher aufgenommen war.

In einer bizarren Coverversion von Buck’s Fizz' ESC-Siegestitel von 1981, „Making Your Mind Up“ – in einer Art Umdichtung gegen Israel an und für sich. Es gehört zu den interessantesten Aspekten dieser Kritiker*innen – die vom Publikum beinah vollständig ignoriert wurden –, dass sie sich mit Hilfe von eurovisionsgeschichtlichem Material gut auf ihre Demonstration vorbereitet hatten: Eine Mühe, die nicht von jeder politischen Intervention behauptet werden kann.

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