: Kampf gegen die Monokultur
Nach der Handball-WM freuen sich die Füchse Berlin beim Sieg gegen Gummersbach über mehr Publikum
Aus Berlin Carlotta Rust
Der riesige Fuchskopf ist wieder aufgeblasen, die Trommeln schlagen im Takt und die Halle skandiert: Füchse Berlin! Beim ersten Bundesliga-Heimspiel des Tabellenfünften nach der Handball-Weltmeisterschaft herrscht gegen den Traditionsverein VfL Gummersbach ausgelassene Stimmung in der Max-Schmeling-Halle. Nachdem in Berlin zuletzt die Spiele der WM in der Arena am Ostbahnhof ausgetragen wurden, sind die Nationalspieler Silvio Heinevetter, Paul Drux und Fabian Wiede zurück in der etwas kleineren Heimhalle. Aber möglichst groß wollen alle Beteiligten den deutschen Handball auch im Alltag in der Bundesliga halten. Die Schwingungen und die Faszination, die von der WM ausgingen, sollen spürbar bleiben, selbst wenn am Sonntag der 25:19-Heimsieg gegen den Drittletzten Gummersbach leicht prognostizierbar war.
Bob Hanning, Geschäftsführer der Füchse und Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes, sieht einen deutlichen Anstieg des öffentlichen Interesses: „Der Ticketvorverkauf hat nach der WM angezogen; man merkt, dass die Leute Handball gucken wollen.“ Für das Spitzenspiel gegen Kiel im April gebe es sogar die Überlegung, eine Zusatztribüne aufzubauen. Obwohl Deutschland bei der WM nach berauschenden Spielen am Ende nur Vierter wurde, ist die Nachfrage kurzfristig offenbar angestiegen.
Allerdings hatte bei der letzten großen Handball-Euphorie-Welle 2007 nicht mal der Titelgewinn bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land für langfristiges Interesse am Handball gesorgt. Damals machte man sich beim DHB dieselben Hoffnungen, endlich mehr Aufmerksamkeit und TV-Präsenz im Wettstreit mit der Konkurrenz zu bekommen. Aber der Hype verflog, die Zuschauerzahlen sanken schnell wieder.
Diesmal will man es besser machen, will mehr als die flüchtigen Erfolge erzielen, die alle Jubeljahre bei einem großen Turnier – und wenn der Fußball gerade Winterpause hat – nicht ungewöhnlich sind. Seit 2007 habe sich viel getan, auch der Berliner Handballverband sei ganz anders aufgestellt, sagt Hanning. „Wir haben jetzt einen hauptamtlichen Vorstand, weg von dem Ehrenamt, rein in die Professionalität.“
Die Nachwuchsarbeit soll ebenfalls verstärkt werden, sodass nicht nur die nächste Generation Zuschauer, sondern auch die nächste Generation Handballer heranwächst. Dazu veranstalten die Füchse zusammen mit dem Handballverband Berlin am 31. 3. den Tag des Kinderhandballs. An diesem können Kinder bis zehn Jahre in der Max-Schmeling-Halle Spiel und Spaß rund ums Thema Handball erleben und das Europapokalspiel der Reinickendorfer gegen den ungarischen Klub Balatonfüredi KSE besuchen.
Doch der DHB und die Vereine können nur einen Teil der Arbeit leisten. Auch die Medien sieht Hanning in der Pflicht. Sie könnten durch ausgeglichenere Sportberichterstattung dafür sorgen, dass neben dem übermächtigen Fußball andere Sportarten nicht in Vergessenheit geraten. „Man muss sich in Deutschland überlegen, ob man eine Monokultur will“, gibt der DHB-Vizepräsident zu bedenken. Wenn die ARD und das ZDF die großen Handball-Turniere übertragen und Sky die Auftaktkonferenz der Bundesligarückrunde im Free-TV zeigt, wird damit schon ein klares Signal gesendet.
Im Endeffekt liegt die Entscheidung bei den Fans, sich auch für Sportereignisse abseits des Fußballs zu erwärmen. „Wir wollen eine Alternative sein“, stellt Hanning klar, „und dann muss man als Zuschauer sagen, will man die Alternative oder will man sie nicht.“
Ob es dem Handball gelingen wird, dauerhaft populärer zu sein, bleibt abzuwarten. Für den Moment können sich die Füchse und ihr Geschäftsführer freuen: über den Sieg gegen Gummersbach und über 7.390 Zuschauer, die das Spiel besuchten. In der vergangenen Saison waren bei derselben Paarung nur 6.122. Handballfans vor Ort.
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