: Windige Gutachten
Im OTB-Hauptsache-Verfahren hat das Verwaltungsgericht mehr kritische Fragen zu den Prognosen, als die Experten plausibel beantworten können
Von Klaus Wolschner
Insgesamt 16 Prozessvertreter saßen gestern den drei Berufsrichtern im Verwaltungsgerichtsverfahren um die Genehmigung des Offshore-Terminals Bremerhaven (OTB) gegenüber. Die Naturschützer vom BUND klagen gegen die Genehmigung (taz berichtete). Auf dem Wege des vorläufigen Rechtsschutzes hatte das Verwaltungsgericht deshalb 2017 einen vorläufigen Baustopp verfügt, den das Oberverwaltungsgericht 2018 bestätigte.
Im nun eröffneten Hauptverfahren ließ die fünfte Kammer des Verwaltungsgerichts zunächst die Gutachter der Firmen Prognos und Planco zu Wort kommen. Die hatten 2015 die überwiegende Bedeutung des OTB-Projektes für Windparks und Wirtschaft in Bremerhaven herausgestellt. Nicht nur die Kläger, auch die Richter hatten dazu gestern sehr kritische Fragen.
In den Gutachten war das Konzept, fertig montierte Komponenten übers OTB zu verschiffen, als besonders attraktiv für die Windenergie-Anlagenbauer gepriesen worden. Zumal Weltmarktführer Siemens ließ sich davon allerdings nicht nach Bremerhaven locken: Er lässt seine Anlagen in sogenannten Servicehäfen wie im holländischen Eemshaven montieren, unabhängig davon, wo sie produziert wurden.
Der Vorsitzende Richter, Gerichtspräsident Peter Sperlich, hakte intensiv an dem Punkt nach, wo die Gutachter damals Bremerhaven satte 50 Prozent Marktanteil am Turbinenbau prognostiziert hatten – von bis dato einem Viertel. Diese erhebliche Steigerung war in der Expertise wohl nur durchs Prinzip Hoffnung begründet – jedenfalls gerieten die Gutachter merklich ins Schwimmen, als sie ihre Prognose plausibilisieren sollten.
Noch im Juli 2015 war ein großer Windpark-Auftrag nicht, wie von den Gutachtern erwartet, an die Bremerhavener Firma Adwen, sondern an den Konkurrenten Siemens gegangen. Adwen hat seither seine Bremerhavener Produktion stark zurückgefahren. Selbst die Siemens-Ansiedlung in Cuxhaven werteten die Gutachter letztlich als positiv: Das wäre besser, als wenn der Weltmarktführer sich für Esbjerg oder Eemshaven entschieden hätte, so ihre Argumentation. Das OVG hatte schon vor einem Jahr den Baustopp damit begründet, dass die Wirtschaftlichkeitsprognosen zu schwankend seien, um den Eingriff in Naturschutzgebiete zu rechtfertigen.
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