Sarah Wiener Die Zutat: Und der Winter bleibt draußen
Zugegeben: Meine heutige Zutat ist geschichtlich nicht ganz unbelastet. Die Rede ist von der Steckrübe, die in Österreich auch Dotsche genannt wird. Der Generation meiner Großeltern ist der Steckrübenwinter zum Ende des Ersten Weltkriegs in traumatischer Erinnerung geblieben. Die Rübe musste Fleisch, Kartoffeln, Brot und sogar Kaffee im Speiseplan ersetzen – da halfen auch schönfärbischere neue Namen wie „Ostpreußische Ananas“ nicht viel. Anschließend wurde sie für lange Zeit von jedem Teller verbannt. Verständlich.
Meine Generation ist die erste, die der Steckrübe vorurteilsfrei und bewundernd begegnet, die neue Liebe für alte Gemüsesorten tut ein Übriges. Wer die Steckrübe selbst ernten möchte, sät sie bereits im Juni oder Juli. Heißes Wetter macht ihr genauso wenig aus wie längere Regenphasen, auch kurzzeitigen Forst verträgt sie. Geerntet wird die Rübe zwischen Oktober und Anfang November und kann dann mehrere Monate kühl und dunkel gelagert werden. Pflegeleichter geht es kaum und das erklärt auch, warum die Rübe gerade in schweren Zeiten angebaut wurde.
Die Wruke, wie die Norddeutschen sagen, hilft uns bestens bei unseren Neujahrsvorsätzen (falls Sie bisher noch keine haben: am 5. Februar ist chinesisches Neujahr). Ein bisschen Geld sparen, etwas für die Umwelt tun und vielleicht ein paar Pfunde verlieren? Mit der Steckrübe geht das alles.
Im Biomarkt ist sie günstig zu erwerben, durch den Anbau in Deutschland spart man jede Menge CO2 gegenüber dem Importgemüse und obendrein ist sie mit rund 30 Kilokalorien auf 100 Gramm ein leichtes, aber dennoch satt machendes Gemüse. Sie enthält reichlich Kalium, Magnesium und Vitamin C – alles perfekt, um gesund durch den Winter zu kommen.
Die Rübe schmeckt süßlich-erdig und passt in Fleischeintöpfe genauso gut wie zu vegetarischen Suppen. Sehr dünn aufgeschnitten, roh oder kurz in Essigwasser blanchiert, esse ich sie gern als Carpaccio. Darauf kommt ein Pesto aus Petersilie und Haselnüssen. Krossgebratene kleine Zwiebelwürfel mit Speck machen sich aber auch gut dazu.
Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblings-zutaten vor. Heute: Die Steckrübe. Foto: Paul Williams
Alles was mit der Steckrübe Saison hat, passt bestens zu ihr. Zum Beispiel ein Vogerlsalat (Feldsalat) mit Roten Rüben (Rote Bete) und Walnüssen. Wem das in diesen Tagen zu kühl ist, macht aus der Steckrübe eine geschmorte Gemüsepfanne mit Knoblauch und Zwiebeln. Vielleicht noch etwas Ziegenfrischkäse, Chili und geriebenen Ingwer dazu, eine Handvoll glatte grobgehackte Petersilie drüberstreuen und ich verspreche: Da bleibt der Winter vor der Tür. Guten Appetit!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen