Schön-hässlich

Annette Geigers „Andersmöglichsein. Zur Ästhetik des Designs“

Mode ist die notwendige Abkehr vom Schönen. Sagt Annette Geiger, Professorin für Theorie und Geschichte der Gestaltung an der Hochschule der Künste in Bremen. Wie sie in ihrer aktuellen Studie „Andersmöglichsein. Zur Ästhetik des Designs“ ausführt, beruht der ästhetische Code der Mode auf der Grenzüberschreitung zwischen dem Schönen und dem Hässlichen.

Sie unterscheidet zwischen Modehandeln als sozialer Praxis und einer Ästhetik der Mode und konstatiert, dass heutigen ModedesignerInnen das gesellschaftlich geforderte Schönsein dementsprechend herzlich egal ist. Sie interessiert das, was gemeinhin als wenig schicklich und wenig passend empfunden wird. „Die Suche nach dem Bizarren und Kuriosen, dem Wilden und Fremden, dem Abartigen und Abnormen begründet also die ästhetische Freiheit, die wir in der Mode haben“, schreibt Geiger.

Damit argumentiert sie zwangsläufig gegen hochgelobte Modemacherinnen wie Phoebe Philo (ehemals Celine), Jil Sander, Gabriela Hearst oder auch Victoria Beckham, die sich alle eines funktionalen, ergo vernünftigen, minimalistischen Designs rühmen. Doch was soll Funktionalität sein? Mit dieser Frage eröffnet sie ihre Studie, in der das Schönhässliche der Mode nur eines von acht Kapiteln ist.

Wie nicht anders zu erwarten, aber deshalb gerade zu Recht, erörtert sie die Funktionalität von Design am Beispiel des Stuhls. Hier zeigt sich besonders einsichtig, dass sich Formen nicht methodisch gesichert aus einem Nutzen herleiten lassen. Denn auch dieser ist erst zu definieren: Ist bequem und ergonomisch richtig zu sitzen überhaupt wirklich gut? Sitzt man dann nicht – der Gesundheit abträglich – womöglich viel zu lange?

Die Rede von der Funktionalität der Dinge sei „reine Rhetorik des Rationalen“, sagt Geiger und begreift im Anschluss an den Architekturhistoriker Julius Posner funktionale Gestaltung als eine ästhetische Position, die durch Schlichtheit und Verzicht zu überzeugen versucht. Dagegen argumentiert die Mode mit dem Wilden und Fremden, Konstrukten, die heute allerdings unter Verdacht stehen kolonialistisch, rassistisch beziehungsweise sexistisch zu sein. Geiger unterscheidet aber auch hier ein ästhetisches von einem diskriminierenden Blickregime. Letzteres beruht auf anthropologischen, als unabänderlich gedachten Konstanten wie eben dem Idealschönen. Die Mode dagegen behauptet die Freiheit der Kultur gegen die vermeintlichen Gesetze der Natur und die Biologie unserer Instinkte.

Brigitte Werneburg

Annette Geiger: „Andersmöglichsein. Zur Ästhetik des Designs“. transcript Verlag, Bielefeld 2018, 314 Seiten, 29,99 Euro