: Hinter den Türen des Konsulats
Im Oktober hatte der saudische Journalist Jamal Khashoggi einen Termin im Konsulat seines Heimatlandes in Istanbul. Er verließ es nicht mehr lebend. Der Mordfall rückte auch den Krieg im Jemen wieder in den Fokus
Von Jannis Hagmann
Hätte ein Drehbuchautor sich den Plot für den Mordfall Jamal Khashoggi ausgedacht, hätte ihn jeder Filmproduzent für einen Spinner gehalten. Die Geschichte geht so: Ein abenteuerlustiger Prinz will seinen Widersacher, einen berühmten Reporter, um die Ecke bringen. Er schickt seine Vertrauten los. Sie töten den Reporter, zerstückeln die Leiche mit einer Knochensäge. Schließlich lösen sie die Einzelteile in Säure auf und entsorgen das ganze Gemisch in einem Brunnen.
Das ist die Geschichte, wie sie sich ereignet haben soll, im saudischen Generalkonsulat in Istanbul. Spätestens seit das CIA und der US-Senat den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman zum Auftraggeber des Mordes erklärt haben, besteht für viele kein Zweifel mehr (auch wenn das CIA nur mit „mittlerer bis hoher Sicherheit“ davon ausgeht, dass der Prinz der Auftraggeber war).
Bei genauerer Betrachtung stellen sich Fragen. Wozu braucht es ein 15-köpfiges Team, um einen Dissidenten verschwinden zu lassen? Und woher wissen wir all die Details, die sich hinter der Tür mit den gekreuzten Krummschwertern abspielten? Das mit der Knochensäge, oder dass die Mörder beim Zerstückeln Musik hörten?
Es war der türkische Geheimdienst, der die Weltöffentlichkeit Tag für Tag mit Einzelheiten fütterte. Sind die Geheimen Erdoğans eine vertrauenswürdige Quelle? Eher nicht. Zwar soll das Beweismaterial (Tonaufnahmen vom Tathergang) mit anderen Regierungen geteilt worden sein. Unabhängige JournalistInnen haben es allerdings nie zu Gehör bekommen.
Der Fall Khashoggi hat aber auch Gutes angestoßen: Durch den Mord ist der Jemenkonflikt wieder in die Weltöffentlichkeit gerückt. Internationaler Druck hat dazu beigetragen, dass sich die Kriegsparteien getroffen haben und auf einen – wenn auch begrenzten – Waffenstillstand einigten. Daran müssen sich jetzt auch die Saudis halten.Und in den USA hat es Trump, der den tatverdächtigen Kronprinzen auf kuriose Weise verteidigte, nicht geschafft, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Der Senat votierte Mitte Dezember dafür, die Militärhilfe für Saudi-Arabiens Krieg im Jemen einzustellen – ein Schlag ins Gesicht des US-Präsidenten.
Die Bundesregierung reagierte auf den Mord mit einem Rüstungsexportstopp, auch für schon genehmigte Lieferungen. Doch Medienberichten zufolge beliefert Rheinmetall die Saudis weiter mit Munition – über Tochterfirmen in Italien und Südafrika.
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