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„Deutschland muss jetzt liefern“

Nach Kattowitz gibt es keine Ausreden mehr, sagt die Expertin für Klimapolitik, Susanne Dröge

Susanne Dröge, 51, ist Expertin für internationale Klimapolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Dort leitet sie die Forschungsgruppe Globale Fragen.

Interview Bernhard Pötter

taz: Frau Dröge, ist das Ergebnis von Kattowitz ein Erfolg?

Susanne Dröge: Es ist mehr, als man erwarten konnte. Die Latte lag zunächst nicht so hoch. Es ist dann aber gelungen, das Abkommen von Paris nicht zu verraten. Das wäre geschehen, wenn sich die Stimmen durchgesetzt hätten, die an der Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer festhalten wollten. Oder wenn die Stimme der Wissenschaft zum 1,5-Grad-Ziel nicht wahrgenommen worden wäre. Aber dann hat die EU es geschafft, die Chinesen an Bord zu holen, das fand ich erstaunlich.

Kann man von Fortschritt reden, während die Emissionen weiter steigen?

Wenn man es so betrachtet, ist es natürlich kein Erfolg. Aber das kann so ein Abkommen auch nicht leisten. Es ging darum, es zukunftsfest zu machen. Dass die Regierungen nicht liefern, hat man daran gesehen, dass es nicht gelungen ist, die Klimaziele bis 2020 noch kurzfristig schärfer zu machen. Auch Deutschland ist ja nicht umsonst mit dem Schmähpreis „Fossil des Tages“ an den Pranger gestellt worden.

Wie könnte man den Prozess in Richtung weniger Emissionen vorantreiben?

Nach Kattowitz zählt die Ausrede nicht mehr, China mache nichts oder beanspruche Sonderregeln. Auch wenn die Ölländer mal wieder querschießen, kann man in Zukunft sagen: Es gibt Regeln, an die wir uns halten, davon machen wir zum Beispiel auch unsere Zusammenarbeit bei Handel oder technischer Hilfe abhängig. Außerdem stärkt die Einigung die Zivilgesellschaft. Sie wird sich darauf beziehen. In Kattowitz hat sich auch gezeigt, wie die Schere auseinandergeht: Wenn die Ölländer den IPCC-Bericht nicht willkommen heißen, gibt es inzwischen eine weltweite Öffentlichkeit, die widerspricht. Die Leute sagen ihren Regierungen: Es gibt so viele positive Beispiele, macht mal was! Ich denke auch, dass die Konferenz vor Ort Spuren hinterlassen hat. Die Debatte um einen Weg aus der Kohle wird auch in Polen nicht mehr gänzlich zurückzudrehen sein.

Ist das Ergebnis ein Sieg des Multilateralismus?

Es war tatsächlich ein Hauch des Multilateralismus vom Pariser Abkommen von 2015 zu spüren, obwohl die Großwetterlage schlecht ist. Vor allem für die USA sind scharfe Regeln wichtig. Mit denen gibt es jetzt die Chance, dass eine zukünftige US-Regierung dem Abkommen wieder beitritt. Aber man kann es auch böse ausdrücken: Das Klimathema ist derzeit zu unwichtig, um Nationalisten als Schlachtfeld zu dienen. Die Regierungen, die sich vom Multilateralismus abwenden, nutzen es wie Bolsonaro: Wir wollen keine Einmischung in die Nutzung unseres Regenwalds.

Warum treten die fortschrittlichen Staaten der „High Ambition Coalition“ immer nur am Ende der Konferenzen als progressive Gruppe auf?

Es gibt außerhalb des Klimas wenig Anknüpfungspunkte. Teile der Allianz gibt es ja, die EU mit China, Mexiko und Kalifornien. Das ist aber auch ein Problem der Glaubwürdigkeit. Man braucht Ehrgeiz im Klimaschutz, und dafür sind momentan schlechte Zeiten.

Von wegen fehlende Glaubwürdigkeit: Was bedeutet der Deal von Kattowitz für Kohlekommission und Klimagesetz?

Weil das Regelbuch das Pariser Abkommen noch einmal gestärkt hat, muss Deutschland jetzt im eigenen Land dringend liefern. Umweltministerin Svenja Schulze hat auf der Konferenz erfahren, was für unser Land da international dranhängt. Sie hat auch angekündigt, dass sie als SPD-Ministerin den Strukturwandel auf dem Radar hat. Die Frage ist, ob sie Druck auf die anderen Ressorts aufbauen kann.

Hilft ein solches Ergebnis?

Auf jeden Fall. Schulze kann nun mit den anderen Ministerien für Entwicklung und Außenpolitik ganz anders auftreten. Da können sie mit mehreren Personen im Kabinett eine treibende Kraft für mehr Klimaschutz sein.

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