Theresa May vor Misstrauensvotum: Der Tag der Entscheidung

Die Parlamentsfraktion der britischen Konservativen setzt ein Misstrauensvotum gegen ihre Premierministerin an. Theresa May reagiert kämpferisch.

Eine Frau steht vor einem Tannenbaum. Es ist die britische Premierministerin Theresa May

Kurz vorm abtauchen? Theresa May vor der 10 Downing Street am Mittwoch Foto: ap

BERLIN taz | Ein Ende – oder ein Neuanfang: Vor diesen Alternativen stand am Mittwoch die britische Premierministerin Theresa May, nachdem die Fraktionsführung ihrer regierenden Konservativen am frühen Mittwochmorgen ein Misstrauensvotum gegen sie als Parteichefin ansetzte.

Die Abstimmung findet am Mittwochabend statt, zwischen 18 und 20 Uhr Ortszeit. 316 Tory-Abgeordnete im Unterhaus können innerhalb dieser Zeit in einem Besprechungsraum des Parlamentsgebäudes ihre Stimme abgeben, geheim. Spätestens eine Stunde nach dem Ende der Abstimmung soll das Ergebnis verkündet werden.

Um zu bestehen, muss May die Mehrheit der Fraktion hinter sich scharen – also 159 Stimmen. Dann könnte sie für die nächsten zwölf Monate nicht mehr von der eigenen Partei herausgefordert werden – ihre Stellung wäre damit erheblich gefestigt, denn in diese Zeit fällt das Brexit-Datum 29. März 2019. Sie wäre in diesen zwölf Monaten nur noch durch ein Misstrauensvotum der Opposition im Parlament zu kippen, nicht mehr aus den eigenen Reihen.

Sollte May die Abstimmung aber nicht gewinnen, ist sie als Parteichefin abgewählt, und damit wären auch ihre Tage als Premierministerin gezählt. Denn die Partei würde dann ein komplexes Verfahren zur Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers einleiten, dessen Gewinner automatisch auch den Premierministerposten bekleiden könnte. Allerdings dürfte das ziemlich lange dauern – bis mindestens Januar wäre das Land praktisch führungslos.

Das Votum wurde möglich, nachdem 48 Abgeordnete – das entspricht 15 Prozent der Fraktion – beim Leiter des Hinterbänklerkomitees „1922 Committee“, das alle Abgeordneten außer denen mit Regierungsämtern vereint, einzeln handschriftlich signierte Briefe eingereicht hatten, in denen sie so ein Votum fordern.

Von 48 Unzufriedenen auf 158 Neinstimmen zu kommen, ist allerdings für die May-Gegner eine erhebliche Anstrengung. Schon die 48 Briefe zusammenzubekommen hat Monate gedauert.

Die Initiative ging ursprünglich von Anhängern eines harten Brexit um Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg aus, die May als zu EU-freundlich kritisieren und lieber einen der Ihren als Premierminister sehen würden. Aber Ende November waren sie mit einem ersten öffentlichen Versuch, ein Vertrauensvotum zu erzwingen, gescheitert.

Unklar, ob Brexit-Hardliner stärker sind

Ob die Brexit-Hardliner heute stärker sind als vor zwei Wochen, ist unklar. Denn seitdem haben nicht nur diese Kräfte heftige Kritik an Mays Brexit-Deal mit der EU geübt, sondern auch die EU-freundlichen Politiker, die angesichts der von May ausgehandelten engen zukünftigen Anbindung Großbritanniens an die EU lieber gleich in der EU bleiben wollen.

Wenn sich diese beiden verfeindeten Flügel verbünden, können sie gemeinsam zwar ein Misstrauensvotum gegen May erzwingen und es theoretisch sogar gewinnen – aber sie würden sich dann sofort über die Nachfolge zerfleischen.

Es gilt genauso gut als möglich, dass May-Loyalisten jetzt selbst das Votum provoziert haben, damit die Premierministerin es gewinnt und dann frisch gestärkt gegenüber dem Parlament und der EU auftreten kann. Erst am Montag hatte Theresa May die für Dienstag geplante Abstimmung im Unterhaus zur Ratifizierung ihres Brexit-Deals abgsagt, weil eine gigantische Niederlage drohte.

Dies hatte zu parteiübrgreifender Empörung im Parlament geführt, das eigentlich durch ein Nein zu Mays Deal die Initiative im Brexit ergreifen wollte. Am Dienstag war sie von einer Blitztour durch europäische Hauptstädte, um Verständnis für die Forderung nach Nachverhandlungen dieses Deals zu gewinnen, mit leeren Händen zurückgekommen.

Eine Chance, Autorität zurückzugewinnen

Sich zumindest gegen die eigene Partei durchzusetzen, ist kurzfristig der einzige Weg für May, Autorität zurückzugewinnen, bevor sie spätestens am 21. Januar 2019 ihren Deal, ob nachverhandelt oder nicht, erneut ins Parlament einbringt.

Finanzminister Philip Hammond, Gegner eines harten Brexit, gab dieser Analyse am Mittwochmittag Auftrieb, als er mit dem Begriff „flush out“ zu einer Jagdmetapher griff: die Abstimmung am Abend werde die Brexit-Extremisten, die May stürzen wollen, aus der Deckung locken – also zum Abschuss freigeben.

Am frühen Mittwochnachmittag sah es so aus, als könnte diese Strategie aufgehen. Nach Zählungen von TV-Sendern hatten bis zum Mittag 143 bis 158 Abgeordnete öffentlich ihre Intention kundgetan, May im Amt zu bestätigen. Mehrere Kabinettsmitglieder, die zuletzt als mögliche May-Nachfolger gehandelt worden waren, erklärten öffentlich ihre Unterstützung für die Premierministerin.

Theresa May selbst sagte vor Journalisten und neben einem Weihnachtsbaum vor ihrem Amtssitz in der Downing Street, sie werde mit allem, was sie habe um ihr Amt kämpfen, und warnte, ein Führungswechsel werde lediglich den Brexit-Zeitplan kippen, aber nichts an der Verhandlungssituation mit der EU ändern.

In der wöchentlichen Fragestunde im Parlament am Mittag trat May kämpferischer auf als sonst – und erhielt größere lautstarke Unterstützung aus den eigenen Reihen. Am späten Nachmittag wird sie auf einer Fraktionssitzung eine Ansprache halten, bevor die Abgeordneten zur Wahl schreiten.

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