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„Wir machen einfach unseren eigenen Funk“

Startup dank Polizeiwillkür: Christiane Nolte hat in den 80er-Jahren die Hamburger Genossenschaft „Das Taxi“ mitbegründet. Ein Gespräch über Taxifahren mit Engagement und die Auswirkungen des Digitalfunks

Interview Florian Marten

taz: Christiane, die 1980er-Jahre waren Gründerjahre: Klartext-Startups wie taz hamburg, Mieter helfen Mietern oder eben auch Das Taxi schossen aus dem Boden. Sie waren politisch, selbstverwaltet, radikal und neu. Doch keines hatte eine aufregendere Geburt als Das Taxi …

Christiane Nolte: Blumentöpfe. Die Polizei sprach tatsächlich von Blumentöpfen.

Rund 40 Taxis hatten sich am 8. Juni 1986 spontan zu einem Konvoi verabredet, um mehr als 800 Brokdorfdemonstranten vom Polizeikessel auf dem Heiligengeistfeld „abzuholen“. Die Gummiknüppel, mit denen die Hamburger Polizisten dort Löcher in die Frontscheiben eurer Taxis schlugen, waren plötzlich Blumentöpfe.

(Lacht) Die wären aus den Häusern auf unsere Taxis geflogen, weil es den Anwohnern zu laut wurde. Das haben die allen Ernstes behauptet.

Du warst damals Unternehmerin mit zwei Taxen und Funkerin beim Blitzfunk. Wie hast du vom Kessel erfahren?

Damals wurde noch per Sprachfunk vermittelt. Alle konnten sich untereinander und mit der Zentrale verständigen. Da kam durch: Stress auf dem Heiligengeistfeld, die Leute kommen da seit Stunden nicht heraus. Die Turnschuhfahrer, eine Gruppe von FahrerInnen, die sich damals regelmäßig in einem Hinterhaus in der Weidenallee und im Lulleby in der Thadenstraße traf und die Frauen vom Frauencafé haben sich verabredet, sich solidarisch zu zeigen und anzubieten, die Leute kostenlos nach Hause zu fahren.

Wie lief das ab?

Die FahrerInnen verabredeten sich „zu einer Kaffeepause in der Feldstraße“. Im Konvoi sind dann rund 40 Taxen gegen 23 Uhr hupend und blinkend zum Pferdemarkt gefahren. Dort eskalierte die Situation. Am Schluss waren noch zehn Taxen vor Ort. Drei wurden ziemlich zertrümmert, die anderen beschädigt …

Daraufhin habt Ihr Das Taxi gegründet …

Zuerst bekamen wir alle eine Verwarnung vom Blitzfunk, eine GmbH, keine Genossenschaft wie Hansa-Taxi und Das Taxi später: Taxis dürften sich nicht politisch äußern, Kunden hätten sich beschwert. Danach hat sich der harte Kern gefragt: Was machen wir jetzt? Bald war klar: Wir machen einfach unseren eigenen Funk!

Vier Tage später gab es eine große Solidaritätsdemonstration, 50.000 Menschen und einen Konvoi mit 100 Taxis …

Das hat uns bestärkt. Wir trafen uns, bei Kampnagel und in der Zinnschmelze, haben das Projekt vorbereitet. Das Gericht hat schon im Oktober 86 die Polizeiaktion verurteilt. Die war in jedem Punkt rechtswidrig.

Im Oktober 1986 ist Das Taxi an den Start gegangen.

(Lacht) Ja, mit Selbstaufgabe. Alle mussten unentgeltlich arbeiten. Später gab’s Einheitslohn, wie bei der taz. Das taz-Modell hat sich bei uns sehr lange gehalten – sogar länger als bei euch, glaub ich. Natürlich haben wir die guten Leute von Blitzfunk mitgenommen, gerade auch die Frauen aus der Zentrale. Wir konnten die Wohnung eines Kollegen in der Humboldtstraße nutzen. Der zog aus und wir konnten unsere Taxizentrale einrichten. Die hatte auch die Nummer.

Wohnung mit Nummer wurde Eure Zentrale?

Ja, über 20 Jahre lang. Die Nummer haben wir heute noch. 22 11 22.

Christiane Nolte

67, lebt seit 1955 in Hamburg. Sie hat eine Ausbildung als Technische Zeichnerin, fuhr dann einige Jahre als Bürokauffrau zur See, bevor sie als Funkerin und Taxiunternehmerin zunächst bei Hansa-Taxi und später beim Blitzfunk arbeitete. 1986 hat sie die Genossenschaft „Das Taxi“ mitgegründet.

Was war noch besonders bei Euch?

Frauen. Bei uns haben viele Frauen gearbeitet, auch als Fahrerinnen. Viel mehr als sonst in der Branche. Besonders haben wir darauf geachtet, dass in der Zentrale auch Männer arbeiten. Das klassische Modell war ja: Frauen behütend am Funk für die Straße, in den Taxen Männer. Wir waren da anders.

Und politisch?

Das Taxi selbst war nicht politisch – aber wir haben es immer für Aktionen offen gehalten. Wer wollte, konnte sich politisch engagieren. Wir haben jahrelang die Aktionen gegen die Castortransporte unterstützt. Sind mit zehn Autos durch die Wälder gekachelt, haben die Leute von einem Camp zum anderen gebracht. Nicht alle sind mit wehender Fahne bei allem mitgezogen. Aber wir waren offen. Wir waren das Regenboxentaxi. Schon anders. Und oft auch politisch.

Ihr habt auch die damals noch besetzten Häuser in der Hafenstraße unterstützt.

Für die waren wir ein wichtiges Warnsystem. Als FahrerIn bekommst du schließlich mit, wenn die Wannen mal wieder ausrücken. Wir konnten dann warnen. Auch die Hausbesetzungen haben wir begleitet. Zwei unserer Kollektive wohnten damals in der Hafenstraße. Auch heute fahren noch Leute aus der ehemaligen Hafenstraße bei uns.

Kollektive? Wem gehörte der Betrieb?

Das Taxi war eine Genossenschaft, wie auch Hansa-Taxi. Der große Unterschied: Bei uns konnten auch die FahrerInnen einen Genossenschaftsanteil erwerben und mitbestimmen. Die Taxen gehörten Unternehmern, wie mir, oder Kollektiven, eine weitere Besonderheit. Wir hatten drei Kollektive, zwei davon in der Hafenstraße.

Wie lief Euer Alltag?

Da ging es hoch her. Ständig Sitzungen, auch Auseinandersetzungen – ums Saubermachen der Taxen, auch ums Fahrverhalten, stundenlange Diskussionen. Täglich in der Zentrale und dann viele Generalversammlungen. Vieles lief aber auch gut: Bei den Kollektiven rotierte die Vertretung, alle paar Jahre, wenn die Konzession erneuert werden muss, hielt ein anderer den Kopf hin. Ein Kunde hat uns schließlich ein Buchhaltungsprogramm geschrieben, kostenlos, weil er uns unterstützen wollte. Das lief bis zum Wechsel zu Hansa-Taxi 2017 reibungslos.

Ich bin mit Euch gefahren – was anderes kam gar nicht infrage. War das typisch für Eure Kunden?

Kunden aus politischer Überzeugung – zu Anfang sicher mehr als 50 Prozent. Auch heute gibt es immer noch viele, die wissen, warum Sie uns bestellen und dafür auch mal länger warten.

Warten?

Wir sind für Hamburg zu klein. 200 Taxen brauchst du eigentlich mindestens, um die Stadt abzudecken. Unsere höchste Zahl war 140. Das Taxi hat immer viele arbeitsintensive Kunden bedient: Rollifahrten, Wohngruppen, die besonders betreut werden oder Kinder, die begleitet werden müssen.

Seit 2017 seid Ihr bei Hansa-Taxi …

… die passten als Genossenschaft am besten zu uns. Auseinandergebracht hat uns letztlich aber der Datenfunk. Da sprichst du als Funkerin nicht mehr mit der FahrerIn …

… da tippst du in den Computer.

Richtig. Bei uns kommen zwar heute noch über 90 Prozent der Bestellungen per Telefon und nicht per App, aber unser persönlicher Kontakt mit den FahrerInnen ist weg. Wir haben auf einer Generalversammlung von Das Taxi vor zehn Jahren mit einer Stimme Mehrheit den Datenfunk eingeführt. Heute würde ich das so nicht mehr machen.

Warum?

Man spricht nicht mehr miteinander. Das hat uns Kopf und Kragen gekostet. Du wirst überprüfbar. Alle sind sichtbar. Das passte für viele nicht zu unserem politischen Anspruch. Verrückt nur: Die FahrerInnen, die das besonders störte, sind dann zu Hansa-Taxi gewechselt …

… und fahren dort mit Datenfunk.

(Lacht) Genau. Aber dort gibt es den politischen Anspruch nicht. Dann war das offenbar kein Problem. Am Ende hatte Das Taxi nur noch 59 Fahrzeuge. Das ging wirtschaftlich überhaupt nicht. Jetzt sind wir Kooperationspartner von Hansa‑Taxi und haben wieder über 100 Taxen, dabei 15 Fahrzeuge von Unternehmern, die schon von Anfang an dabei waren. Für mich bleibt es schwer, dass der persönliche Kontakt zu den FahrerInnen weg ist. Auch die Betriebspause, früher kamen die oft zwischendurch rein, gibt es so nicht mehr. Ich wusste beim Sprachfunk immer, wie es den KollegInnen geht, selbst wenn ich sie nicht gesehen habe. Aber ohne Datenfunk geht es wirtschaftlich nicht. Die Tourenplanung ist effizienter, die Abrechnung ist einfacher.

Was unterscheidet Euch heute von anderen Taxibetrieben?

Äußerlich die Marke. Den Roten Stern haben wir behalten. Den hat die Agentur Nordpol entwickelt, die sind von Beginn mit uns gefahren. Ursprünglich waren wir das Regenbogentaxi, das hatte sich dann irgendwann überlebt. Aber Freitagabend hol ich immer noch die „Bordtaz“ für meine Taxen, die Samstagsausgabe.

Und politisch?

Die politischen Kontakte gibt es alle noch. Ein Fahrer kümmert sich beispielsweise um das Archiv der Roten Flora. Aber die Zeiten haben sich geändert. Auch durch den Datenfunk. Damit kann ich meine Taxen heute eh nicht mehr zu einer Demo schicken.

Was ist für Dich die Zukunft von Das Taxi?

Das Taxi ist und bleibt vor allem eine soziale Taxizentrale, trotz Datenfunk und App: Wir werden übers Telefon geordert. Und: Wir haben keine Duckmäuser in unseren Taxen. Die FahrerInnen sind entscheidend: Sie setzen sich dem Straßenverkehr aus und haben ständig mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun. Sie müssen eine eigene Meinung haben und die auch äußern können. Das passt zu unseren Kunden von früher, aber auch zum Kundenkreis aus dem sozialen Bereich, der bei uns eine große Rolle spielt. Wir kümmern uns, diese soziale Verantwortung ist mir wichtig.

Florian Marten, Autor und Berater, war 1981 Mitbegründer der taz hamburg

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