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wie machen sie das?Die Festexpertin

Tanja Kuhnert, 43, arbeitet als Familientherapeutin im „Lösungsraum Köln“. Außerdem ist sie im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie.

taz am wochenende: Frau Kuhnert, Sie schaffen es, trotz Patchwork-Familie harmonische Weihnachten zu verbringen. Wie machen Sie das?

Tanja Kuhnert: Ich überlege mir vorher: Was will ich eigentlich von Weihnachten? Gemeinsam mit meiner Familie plane ich dann, wer wann wo ist.

Wenn die Erwartungen aber ganz unterschiedlich sind?

In Weihnachten werden viele Hoffnungen und Wünsche hineinprojiziert. Oft wird gar nicht darüber gesprochen. Es hilft aber, vorher zu klären, wie sich jeder die Feiertage vorstellt. Das ist nicht immer einfach. Es kann die Situation entspannen, nicht erst im Dezember, sondern schon Anfang des Jahres über das nächste Weihnachtsfest zu sprechen.

Wann kriegt ihr endlich Kinder? Wann machst du deinen Abschluss? – Wie geht man mit solchen Vorwürfen der Verwandtschaft um?

Man sollte solche Fragen nicht so sehr als Vorwurf sehen. Oft machen sich die Verwandten Sorgen. Oder es ist ihre Art, Interesse zu zeigen. Diese Fragen können ein ritueller Gesprächseröffner sein, ohne böse Hintergedanken. Wenn dieselbe, vielleicht sogar schmerzhafte Frage aber Jahr für Jahr wiederkehrt, kann man freundlich, aber bestimmt Grenzen ziehen.

Ist es okay, Weihnachten nicht mit der Familie zu verbringen?

Natürlich. Allerdings sollte man sich überlegen: Warum mache ich das? Geht es dabei nur um mich, oder ist es so für alle entspannter? Manche wollen ihre Familie lieber zu einem Zeitpunkt besuchen, der nicht so sehr mit Erwartungen aufgeladen ist. Das ist in Ordnung.

Und dann?

Dann muss man sich überlegen, wie realistisch die eigenen Wünsche für die Feiertage sind. Wenn man etwa mit Freunden feiern möchte, die aber alle zu ihren Familien fahren, geht das nicht. Aber vielleicht kann man die Eltern einladen, statt selbst hinzufahren. Oft haben Eltern das Gefühl, sie müssen die Weihnachtsrituale für die erwachsenen Kinder aufrechterhalten, weil die es erwarten. Und die erwachsenen Kinder glauben, die Eltern hängen so sehr daran.

Wenn man selbst eine neue Familie gründet – ein fester Partner, kleine Kinder – und die Großeltern leben in verschiedenen Städten weit weg: Wie löst man das?

Ich finde, die neue Familie hat Vorrang. Keiner hat etwas davon, wenn gestresste Eltern mit quengelnden Kindern durch die ganze Republik fahren, um die ganze Verwandtschaft abzuklappern. Die jungen Eltern sollten sich überlegen, wie sie Weihnachten als Familie feiern wollen.

Interview: Christina Spitzmüller

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