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Schwarz-Grün gedeiht langsam

Mit einer Stimme Mehrheit will Volker Bouffier in Hessen eine ­­Neuauf­lage von Schwarz-Grün schmieden. Doch die Koalitions­verhandlungen verlaufen mühsam. Heikel werden Personalfragen

Sie wollen noch mal miteinander, aber es hakt: Volker Bouffier (hier mal links) und Tarek Al-Wazir Foto: Arne Dedert/dpa

Aus Wiesbaden Christoph Schmidt-Lunau

Am Wochenende durfte Volker Bouffier noch feiern. Auf dem Bundesparteitag der CDU erzielte der hessische Ministerpräsident das beste Ergebnis aller neugewählten Vize-Parteivorsitzenden, mit mehr als 90 Prozent der Stimmen. Nun folgt die Rückkehr in den Alltag: Bouffier muss die Wiederauflage von Schwarz-Grün in Hessen schmieden. Und da gibt es derzeit wenig Grund zu feiern.

Nach dem CDU-Parteitag steht Bouffier eigentlich wie ein Gewinner da. Anders als sein Amtsvorgänger Roland Koch hatte er sich nicht für den streng konservativen Friedrich Merz ins Zeug gelegt, obwohl auch Bouffier zu den Gründern des legendären „Andenpakts“ gehörte, in dem sich einst die „jungen Wilden“ der Partei gegenseitige Unterstützung zugesichert hatten. Die Wahl der neuen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und sein eigenes Wahlergebnis – das beste aller fünf gewählten Vizevorsitzenden – stärken ihm nun den Rücken für die schwarz-grünen Verhandlungen in Hessen. Noch vor Weihnachten will Bouffier einen Koalitionsvertrag vorlegen. Am 22. Dezember sollen der CDU-Parteirat und eine Landesmitgliederversammlung der Grünen die Koalition absegnen.

Doch dieser Zeitplan gilt inzwischen als ambitioniert. Zwar regierte Schwarz-Grün schon zuvor miteinander – als erstes Bündnis dieser Art in einem Flächenland. Nach der Landtagswahl Ende Oktober aber hat sich das Kräfteverhältnis verschoben. Mehr als 26 Prozentpunkte trennten Schwarz und Grün noch 2013. Mit dem CDU-Absturz schrumpfte der Vorsprung auf 7,2 Punkte. Verhandelt wird also auf Augenhöhe. Indes: Bislang kam dabei offenbar nicht viel Verbindliches heraus.

Am Donnerstag hatten der hessische CDU-Generalsekretär Manfred Penz und der Grünen-Landesvorsitzende Kai Klose zu einer Pressekonferenz über den Stand der Verhandlungen geladen. Mit großen Erwartungen waren zwei Dutzend JournalistInnen angereist. Aber Penz und Klose präsentierten nicht ein einziges Detail, auf das sich die Koalitionäre geeinigt hätten. Die elf Arbeitsgruppen verhandelten zwar „seit Tagen ununterbrochen“, sagte der CDU-General. Allerdings sei noch kein Punkt abgehakt. „Solange nicht alles verhandelt ist, ist nichts verhandelt“, ergänzte Klose. Als beide auch noch versicherten, über die Ressortverteilung und das Personal sei bislang „keine Silbe gesprochen“ worden, kam im Saal Heiterkeit auf.

Schließlich gelten die Personalien als heikelster Punkt der Regierungsbildung. Bislang stellt die CDU acht Ressortchefs und den Ministerpräsidenten. Die Grünen hatten zwei Ämter: Tarek Al-Wazir als Wirtschafts- und Verkehrsminister sowie Priska Hinz als Umweltministerin. In der neuen Regierung dürfte die Partei zwei Ministerien zusätzlich beanspruchen. Al-Wazir und Hinz gelten wieder als gesetzt. Und Parteichef Klose versichert, die Grünen verfügten für jedes Ressort über geeignetes Spitzenpersonal.

Als CDU und Grüne kürzlich die Presse einluden, konnten sie in keiner einzigen Frage eine Einigung vorstellen

Spekuliert wird nun, wer von den CDU-Ressortschefs gehen muss. Sozialminister Stefan Grüttner hat seinen Offenbacher Wahlkreis verloren. Ebenso gehört Justizministerin Eva Kühne-Hörmann dem Landesparlament nicht mehr an. Als eine der wenigen Frauen in der CDU-Landespitze und als Vertreterin Nordhessens gilt sie jedoch als unverzichtbar. Sie könnte Innenminister Peter Beuth beerben; der kann sich wohl vorstellen, auf den Posten des Landtagspräsidenten zu wechseln.

Bei den Chefgesprächen, die Bouffier mit dem ein oder anderen Aspiranten bereits geführt hat, soll es gelegentlich so laut geworden sein, dass die Stimmen durch die dicken Türen der Staatskanzlei zu hören gewesen seien, erfuhr die taz. Sechs der amtierenden CDU-MinisterInnen haben das Direktmandat in ihrem jeweiligen Wahlkreis gewonnen, gehören also dem Landtag weiter an. Das ist relevant: Denn CDU und Grüne verfügen dort nur noch über eine Mehrheit von einer Stimme. Bei der geheimen Wahl des Ministerpräsidenten braucht Bouffier also auch die Stimmen der bisherigen Kabinettsmitglieder – die ihren Posten möglicherweise verlieren.

Die inhaltlichen Hürden, die die neue Koalition nehmen muss, gelten dagegen als weniger heikel. Man könne auf die Erfahrungen einer guten Regierungszeit zurückgreifen, versicherten Penz und Klose. Und auch wenn beide vorgaben, hart um die unterschiedlichen Positionen zu ringen, fühlten sie sich doch veranlasst, angesichts ihrer immer wieder herausgestellten Kompromissbereitschaft zu betonen: An eine Verschmelzung der beiden Parteien sei nicht gedacht.

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