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Heulen und Zähnefletschen

Großdemo von Bauern, Schafzüchtern und Landfrauen gegen die Ansiedlung von Wölfen in Schleswig-Holstein am Mittwoch in Kiel. Derweil preist der grüne Umweltminister Albrecht die biologische Vielfalt, sein Koalitionspartner CDU fordert eine „Obergrenze“ für Wölfe

Von Sven-Michael Veit

Die Alternative ist klar: „Weide oder Wolf“ lautet der Slogan für eine Demonstration gegen Wölfe am morgigen Mittwoch in Kiel. Der Bauernverband und die Schafzüchter, Landfrauen und Landjugend, Waldbesitzer und Jäger sowie die „Familienbetriebe Land und Forst“ haben sich zusammengeschlossen, um am Morgen vor dem Landeshaus an der Förde die Wiederansiedlung des Wolfes in Schleswig-Holstein zu verhindern.

Drinnen findet eine Anhörung des Umwelt- und Agrarausschusses des Landtags zum Thema statt, wenige Stunden später wird der grüne Umwelt- und Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht den Jahresbericht zur biologischen Vielfalt 2018 vorstellen. Der hieß früher Jagd- und Artenschutzbericht, und schon der neue Name zeigt die Richtung an: Die Politik will mehr Vielfalt von Flora und Fauna statt menschlicher Eingriffe bis hin zum Schusswaffengebrauch gegen ungeliebte Raubtiere.

Genau den aber fordert der Bauernverband in seinem aktuellen „Positionspapier zum Umgang mit dem Wolf in Schleswig--Holstein“. Darin heißt es, „die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht ist ernsthaft in Betracht zu ziehen“. Das aber lehnt der Minister ab. „Das EU-Artenschutzrecht sieht keine wolfsfreien Zonen vor, sondern erlaubt den Abschuss von Wölfen nur unter engen Voraussetzungen“, so Albrecht. Zudem sei der Bund gefordert, den Bestand der Wölfe in Deutschland festzustellen, um künftige Schritte beim Wolfsmanagement prüfen zu können.

Damit erteilt Albrecht der Forderung nach einer „Obergrenze für Wölfe“ des Koalitionspartners CDU eine Absage, die in Schleswig-Holstein traditionell eng mit der Landwirtschaft verbunden ist. Die Union würde gern den bisherigen Schutzstatus der Wölfe ändern und eine Obergrenze festlegen, damit die Bestände entsprechend reguliert werden könnten. Es sollten zudem die rechtlichen Grundlagen für eine Ausweisung von „wolfsfreien Zonen“ insbesondere an den Küsten und Deichen geschaffen werden.

Genau das fordert auch der Bauernverband. Es habe sich gezeigt, „dass alle denkbaren Schutzmaßnahmen und auch die Einzäunung nur unzureichend wirken und Wolfsrisse nicht zuverlässig verhindern“, so der Bauernverband. Deshalb müsse es möglich und erlaubt sein, „Wölfe zu entnehmen, um erhebliche Schäden von der Weidetierhaltung abzuwenden“. Denn mittlerweile stelle die Rückkehr des Wolfes für viele Tierhalter „eine Herausforderung dar, die an die Existenzfrage heranreicht“.

Nach Angaben des Umweltministeriums gab es in Schleswig-Holstein bislang 136 eindeutige Wolfsnachweise und etwa 65 Wolfsrisse auf Weiden und in Gehegen, zumeist Schafe, aber auch Kälber und Damwild. Hinzu kommen fast 40 Tötungen, bei denen ein Wolf als Verursacher nicht sicher ausgeschlossen werden konnte. Noch aber hat sich kein Wolfsrudel zwischen Nord- und Ostsee fest angesiedelt, drei einzelne Wölfe sollen in den Kreisen Segeberg und Pinneberg leben.

Die „Todesvögel“

Nicht nur Wölfe sind aus Sicht der Landwirte problematisch: Die Landwirtschaftsgesellschaft Groß Raden in Mecklenburg-Vorpommern will in diesem Jahr mehr als 300 Lämmer durch Kolkraben verloren haben. Die Vögel stürzten sich angeblich während der Geburt auf die Lämmer.

Nur rund 100 Schafe und Kälber wurden nach Angaben des Schafzuchtverbandes im Lande in diesem Jahr bislang von Wölfen gerissen.

Nach Untersuchungendes Nabu Schleswig-Holstein wurden mehrere Tötungen von Biologen beobachtet. Obduktionen hätten ergeben, dass alle Lämmer ohnehin gestorben wären.

Voraussetzung sei immer eine längere Immobilität von Mutter oder Lamm gewesen.

Genau dort, bei Westerhorn, wurden vorigen Mittwoch zwei Schafe auf einer Koppel hinter einem Schutzzaun gerissen. Möglicherweise war es ein Wolf, sagte Martin Schmidt vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) am Donnerstag. Für eine endgültige Bestätigung müsse jedoch das Ergebnis einer DNA-Analyse abgewartet werden. Zudem müsse geprüft werden, ob der Zaun auch ordnungsgemäß aufgestellt war, so Schmidt.

Rudel mit festen Revieren gibt es in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, außerdem in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern. Das Bundesamt für Naturschutz geht von 73 Rudeln und 30 Paaren aus, mithin etwa 500 Tieren. Allein in Niedersachsen gab es nach Angaben des dortigen Naturschutzbundes (Nabu) bislang 50 Totfunde von Wölfen: 38 seien bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, sieben wurden illegal erschossen, einer – „Problemwolf Kurti“ – im April 2016 offiziell „letal entnommen“, nur vier starben auf natürliche Weise.

„Erleichterte Entnahmen bringen keinerlei Gewinn beim Herdenschutz“, sagt Nabu-Landesvorsitzender Holger Buschmann. Erforderlich sei „die strikte Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen“, nicht eine Abschussquote von jährlich zehn Prozent, die Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) ins Spiel gebracht hatte. Etwas Ähnliches schwebt auch dem Bauernverband in Schleswig-Holstein vor: „Die Einbindung der Jägerschaft“ ins Wolfsmanagement würde, so lautet der Zirkelschluss im Positionspapier, „die Akzeptanz bei Jägern, Landwirten und Eigentümern fördern“.

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