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Deutung des Wahlausgangs in den USAEine Frage der Interpretation

Eine „blaue Welle“ wollten die Demokraten lostreten. Die Trump-Anhänger halten dagegen und erklären sich zum wahren Sieger.

Ein Unterstützer der Republikaner in Montgomery, Alabama Foto: ap

BERLIN taz | Jetzt, wo die vorläufigen Ergebnisse der US-Kongresswahlen vorliegen, beginnt in den verschiedenen politischen Blasen der Kampf um ihre Interpretation. Das Ergebnis ist alles andere als ein eindeutiger Erfolg für eine politische Seite – die Demokrat*innen holen sich das Repräsentantenhaus zurück, im Senat aber wird wohl die republikanische Mehrheit anwachsen.

Eine „Blaue Welle“, hatte die demokratische Partei mit Blick auf die Kongresswahlen angekündigt, ein Erstarken der Demokratischen Partei als Gegenentwurf zur Trump-Regierung. Eingetreten ist diese Voraussage nicht. Während die Demokraten versuchen werden, die neue Mehrheit im Repräsentantenhaus zu betonen, sowie die zahlreichen Frauen und People of Color, die für die Partei in den Kongress einziehen werden, erzählen die prominentesten Trump-Unterstützer die Wahlnacht ganz anders: Als den Moment, an dem der Präsident sicherer stand denn je.

Trumps Sprecherin Sarah Sanders griff das Bild von der „Welle“ gleich Dienstagnacht in ihrem ersten Statement auf und drehte es gegen die andere Seite: „Es gibt vielleicht ein blaues Plätschern, aber gewiss keine Welle“ – ein Bild, das der Sender Fox News umgehend übernahm.

Eine gewisse Erleichterung

Sean Hannity, Fox-Kommentator und erklärter Trump-Fan twitterte am späten Abend: „Die meisten Medien haben absolut keine Ahnung – das war ein massiver Triumph für Donald Trump und diejenigen, für die er sich eingesetzt hat.“ Hannity spielt damit darauf an, dass der Präsident sich im Wahlkampf vor allem für Senats-Kandidat*innen stark gemacht hatte. Also den Teil des Kongresses, bei dem die Wahl zugunsten der republikanischen Partei ausging.

Boris Epshteyn, ehemaliger Trump-Berater und Kommentator beim rechts ausgerichteten TV-Konzern Sinclair verwies darauf, dass die Midterm-Wahlen für die demokratischen Präsidenten vor Trump verheerender ausgefallen waren.

Obgleich es erwartbar ist, dass die Trump-Blase so reagiert, so spricht aus den Äußerungen auch eine gewisse Erleichterung: Die „Blaue Welle“ ist ausgeblieben, das Ergebnis für Trump verkraftbar. Die Möglichkeiten, den Präsidenten durch die Mehrheit im Haus einzuschränken, sind begrenzt. Da lässt sich die Wahl ohne große Anstrengung nach rechts als Triumph verkaufen. Dabei mitgeholfen haben auch die Demokrat*innen, die mit der Ankündigung einer „Blauen Welle“ nicht gerade tief gestapelt hatten.

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8 Kommentare

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  • In fast allen Midterms hat die PArtei des Präsidenten verloren,und zwar im Abgeordnetenhaus und im Senat.



    Durchschnittsverluste seit 1910: 30 Sitze im House, 4 im Senat,wobei Obama bei seinen ersten Midterms 63 im House und 5 im Senat verloren hatte.



    Noch jemand der Meinung, Trump hätte schlecht abgeschnitten?

  • Schon vergessen? Die Flüchtlingswelle aus Mittelamerika war jeden Tag in den News. Wenig verwunderlich ist es daher, dass da die Trumpianer doch nicht so schlecht abscheiden wie es sich die Demokraten erhofft haben. Flüchtlinge retten Trumpianer müsste daher wohl die Schlagzeile heißen.

    • @kamera mann:

      Dafür hatten die Demokraten die Paketbomben. Das gleicht sich aus.

      Aber natürlich hätte sich das Grüppchen auch einen besseren Zeitpunkt aussuchen können.

  • Trump hat sich im Wahlkampf auf den Senat konzentriert, weil bei einem nicht mehr ganz ausgeschlossenen Amtsenthebungsverfahren das Repräsentantenhaus zwar mit einfacher Mehrheit die Einleitung des Verfahrens beantragen kann, die Anhörungen dann aber im Senat stattfinden. Eine entscheidende Rolle kommt da den obersten Richtern zu, die ebenfalls vom Senat eingesetzt werden. Für einen Schuldspruch ist letztlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Senates erforderlich.



    Dass die Demokraten im Repräsentantenhaus jetzt eine Mehrheit haben, ist zwar aus der Sicht der Wahlkämpfer ein klarer Erfolg. Die Frage ist nur, was die Demokraten jetzt damit anfangen sollen. Man wird davon ausgehen müssen, dass protektionistische Schweinereien à la Trump dort von demokratischen Repräsentanten jedesmal mit abgenickt werden, wenn diese sich für ihre Bundesstaaten davon einen wirtschaftlichen Vorteil ausrechnen können.



    Trump setzt also klar auf eine zweite Amtszeit und so wie die Dinge jetzt liegen, könnte er sogar leichtes Spiel haben. Wirtschaftspolitisch profitiert er derzeit noch von der Politik seines Vorgängers, aber in seinem protektionistischen Wahn sägt er selbst momentan am tüchtigsten an dem Ast, auf dem er sitzt.

  • Wenn das Hauptkriterium beider Seiten die Gegnerschaft zur jeweils anderen geworden ist, haben schon alle verloren!

  • Oder kurz gesagt. Beide Seiten haben kleine Erfolge zu verbuchen.

    Die Wahl hat aber noch einmal deutlich gemacht, dass ein tiefer Riss durch die amerikanische Bevölkerung geht. Zwei etwa gleich starke Parteien hassen sich zutiefst.

    Das Beste, das wir von diesem Ausgang erwarten können, ist, dass sich die USA hauptsächlich mit sich selbst beschäftigen und der Rest der Welt seinen Weg möglichst unbehelligt gehen kann.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Dass die USA den Rest der Welt unbehelligt läßt, ist nicht zu erwarten.Irgendwann wird die Idee aufkommen, dass ein netter kleiner oder mittelgroßer Krieg eine gute Idee sei. Er stärkt den Patriotismus und füllt die Taschen. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung wird dann patriotismus-besoffen "USA, USA" brüllen.

      • @EF:

        Das ist leider zu befürchten. Aber ich möchte die Hoffnung nicht ganz verlieren.