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Kommentar Wahlkampf in ÖsterreichGesetz ist Gesetz

Kommentar von Laurin Lorenz

Sebastian Kurz' ÖVP gibt mehr Geld für Wahlkampf aus, als gesetzlich erlaubt ist. Das ist dreist, gerade für die Law-and-Order-Partei.

Kanzler Kurz zeigt sich moralisch flexibel, wenn es um die Macht geht Foto: ap

K urz vor der letzten Nationalratswahl in Österreich versicherte die damalige Wahlkampfmanagerin der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), Elisabeth Köstinger, dass ihre Partei die gesetzliche Obergrenze für die Wahlkampfkosten einhalten werde.

Das ist erst einmal löblich, an Gesetze gilt es sich zu halten. Nicht mehr als 7 Millionen Euro dürfen Parteien in Österreich für ihren Wahlkampf aus­geben. Die SPÖ-ÖVP-Regierung hat das im Jahr 2012 beschlossen. Ein Gesetz also, das sich die Volkspartei selbst gegeben hat.

Nun wurde bekannt, dass Sebastian Kurz’ ÖVP statt der erlaubten 7 Millionen Euro knapp 13 Millionen für den Wahlkampf 2017 ausgegeben hat. Eine Überschreitung von fast 100 Prozent. War das zwei Wochen vor der Wahl noch nicht absehbar?

Kanzler Sebastian Kurz hat in seinem Wahlkampf oft genug betont, wie wichtig ihm die Einhaltung der bestehenden Gesetze sei, egal ob im Sozialbereich oder in Asylfragen. Wenn es darum geht, Menschen abzuschieben oder ihnen die Leistungen zu kürzen, argumentiert er stur: Gesetz ist Gesetz. Und Regeln sind das Fundament eines jeden Rechtsstaates. „Durchschummler“ und jene, die diesen helfen, gelte es zu bestrafen.

Dreiste Schutzbehauptung

Sebastian Kurz hat, in eleganterer Form, dem von der extrem Rechten beschworenen Bild Vorschub geleistet, wonach Österreich sich seit Sommer 2015 (Ankunft der Flüchtlinge) in einem rechtsfreien Zustand befindet. Dank seiner Law-and-Order-Attitude konnte Kurz die Wahl gewinnen.

Law-and-Order, das kann auch bedeuten, dass der Ermessensspielraum der Instanz, die das Gesetz auslegt, eingeschränkt wird. So ist das humanitäre Bleiberecht für gut integrierte Flüchtlingsfamilien unter der türkis-blauen Regierungspolitik in der Praxis zu totem Recht geworden.

Umso dreister, dass die ÖVP jetzt die Schuld für ihren Gesetzesbruch dem politischen Gegner SPÖ und dessen „untergriffigem Wahlkampf“ zuschiebt. Ein parteipolitischer Ermessensspielraum – zum ersten Mal ein richtiges Problem für den eisernen Sebastian Kurz.

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1 Kommentar

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  • Die ÖVP und gesetzestreu?! Hahaha!



    Die Korruptionsskandale der letzten Schwarz-Blauen Regierung sind immer noch nicht aufgearbeitet, auch wenn dazwischen gut ein Jahrzehnt große Koalition liegt.

    Abgesehen davon hängt die ÖVP so eng mit verschiedenen Banken zusammen (v.a. Raiffeisen), die wiederum in der Medienlandschaft große Anteile haben, so dass ein großer Teil ihrer Wahlwerbung eh quasi gratis ist.

    Die SPÖ hat die gesetzliche Grenze für Wahlkampfkosten "nur" um etwa 0,4 Millionen überschritten - und die Wahl verloren. Dumm, wenn man sich (halbswegs) ans Gesetz hält. Eigentlich sollte bei einer solch massiven Überschreitung wie durch die jetztigen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ die Wahl annuliert werden. So ist es nur ein Schönheitfehler, der schnell wieder vergessen sein wird.

    Momentan lässt die österreichische Regierung eine von der FPÖ zugespielte ominöse Liste von angeblichen österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgerschafts-Verdachtsfällen durchexerzieren, womit sie zehntausende ihrer Staatsbürger in Angst und Schrecken versetzt. Woher die Liste kommt ist nie offengelegt worden. Jedenfalls müssen die Betroffenen nun nicht nur beweisen, dass sie von der Türkei ausgebürgert wurden, sondern dass sie sich nicht wieder haben einbürgern lassen - mit einem Auszug aus dem Personenstandsregister, dass sie als Ausgebürgerte aber bei der Botschaft nicht bekommen. Folglich müssen sie dafür in die Türkei reisen - was momentan für jeden, der sich auch nur einmal irgendwo kritisch über die türkische Regierung geäußert hat eine reale Gefahr darstellt. Außerdem ist so eine Überprüfung der reinste Polulismus, weil ja damit nicht nachgewiesen wird, dass der/die Überprüfte nicht in der Zukunft sich vielleicht doch wieder einen türkischen Pass ausstellen lässt. Man müsste das also theoretisch ständig wiederholen. Im Endeffekt geht es nur um Schikane. Der RECHTSstaat lässt grüßen.



    derstandard.at/200...an-kein-Tuerke-ist