: NoFuture,aberNostalgie
Diese Bilder tun gar nicht erst so, als hätte Punk jemals gut ausgesehen. Der Fotograf Olaf Ballnus dokumentierte in den Achtzigern die große Sehnsucht, anders zu sein
Es ist eben so: Punk ist tot. Was Punk mal war: Lärm, Aufruhr, Flucht, eine Haltung vor allem. Was Punk heute noch ist: eine gute Erinnerung für viele. Oder, folgt man dem Motto, das Olaf Ballnus seinem Fotobuch „superreal_punk“ mitgegeben hat: „Nostalgie ist die Droge des Alters.“
Lesen Olaf Ballnus: „superreal_punk“, mit einem Text von Wotan Wilke Möhring, 108 Seiten, 25 Euro
Hingehen Die Ping Pong Gallery c/o Trinkhalle präsentiert die Fotoausstellung superreal_punk von Olaf Ballnus noch bis zum 9.12.2018. Adresse: Herner Straße 8, Bochum
So weit hätte es nie kommen dürfen. Die warme Erinnerung an die Vergangenheit, das war es doch gerade, wogegen Punk angetreten war. No Future war nicht zu haben ohne Negierung von Historie. Nostalgie war so was von nicht Punk. Aber die Zeit vergisst eben niemanden. Das kann man sehen in den Bildern von Ballnus.
Der war Punk in Bochum, fuhr mit seinem Opel Kadett nach Berlin und besaß eine Kamera. Später studierte er Fotografie, arbeitete für Stern, Spiegel, Zeit und taz. Die alten Bilder aber, die haben eine Unmittelbarkeit, eine Selbstverständlichkeit, die einem noch einmal in Erinnerung ruft, was Punk war, aber leider oft vergessen wird: nämlich keine Mode (jedenfalls nicht nur), keine Schrammelgitarren (zugegeben, das schon auch), sondern vor allem das Bedürfnis, anders zu sein, etwas anderes sein zu können (was nicht dasselbe ist, zumindest nicht ganz), auch wenn man keine Ahnung hatte, was das denn sein könnte.
Dieses Anders sah manchmal – und sieht erst recht in der Retrospektive – eigenartig aus. So wie auf dem Foto, auf dem drei Punks in abgewetzten Sesseln um einen Couchtisch sitzen, ein Hakenkreuz an der Wand neben einem plüschigen Lampenschirm, Bierdose neben dem Lesezirkelheft. Ein Kaffekränzchen mit Bier, das die verhasste Spießigkeit der Elterngeneration bloß durch eine neue ersetzt. Befremdlich.
Deshalb sind Ballnus’ Bilder so wertvoll. Nicht unbedingt als Zeitdokument, auch wenn einzelne Halbprominente in jungen Jahren auftauchen, wie Punk-Urgestein Wolfgang Wendland oder Terrorgruppe-Gitarrist Johnny Bottrop. Sie sind wertvoll, weil sie ehrlich sind, unverfälschte Erinnerung. Der Pogo ist: vor allem Schweiß. Menschen auf der Bühne: verzerrte Gesichter. Wohnungen: trostlos. Nackte Oberkörper: schwammig. Fassaden: heruntergekommen, und eben nicht pittoresk. Und Berlin: eine Brache, eine offene Wunde.
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Diese Bilder, die meisten schwarz-weiß und nur wenige in verwaschenen Farben, tun nicht so, als hätte Punk damals gut ausgesehen, weil sie keinen Glamour verbreiten, den es nicht gab. So gesehen stimmt das Motto, das Ballnus seinem Buch gegeben hat, dann wohl doch nicht: Diese Bilder sind eigentlich gar nicht nostalgisch. Thomas Winkler
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