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Partizipation und der lange Weg zum neuen Haus

Soll in einem Stillraum still gearbeitet oder doch eher gestillt werden? Nur eine von vielen Fragen, die es zu diskutieren galt. Stets begleitet von der Architektin Ulrike Lickert

Text: Ulrike Lickert

Meine Geschichte mit der taz begann im Frühjahr 2013. Das Grundstück für den Neubau war noch nicht offiziell gekauft, es regnete und ich traf an der Friedrichstraße 16 zum ersten Mal den Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch. Vermittelt hatte den Kontakt eine Redakteurin der taz, mit der ich befreundet bin und die wusste, dass ich etwas von Wettbewerben verstehe. Denn der Kaufvertragsentwurf enthielt die Auflage, für den geplanten Neubau einen Architektenwettbewerb mit Einbeziehung des Landes Berlin durchzuführen. Rund um die ehemalige Blumengroßmarkthalle sollte nach Plänen des Senats ein neues Kunst- und Kreativquartier entstehen – und die taz passte in dieses Konzept.

Eigentlich wollte ich, da ich gerade gut beschäftigt war, den Bauherrn nur kurz beraten und ihm kompetente Wettbewerbsbetreuer empfehlen.

Doch daraus wurde glücklicherweise nichts. Nach dieser ersten Begegnung ließ mich die taz nicht mehr los. Innerhalb kürzester Zeit war ich Teil des Neubauprojekts und wurde mit der Durchführung des Wettbewerbs beauftragt.

In welchem Umfang das Grundstück bebaut werden durfte, war in einem Bebauungsplan bereits festgelegt. Die erste Aufgabe bestand darin zu ermitteln, ob die Flächen im Neubau für den Bedarf der taz ausreichen würden. Eine erste grobe Schätzung ergab, dass der neue Bedarf einschließlich Café, Shop und Veranstaltungsräume auf dem Grundstück realisiert werden könnte.

In Workshops wurde mit den tazlerInnen über ihre Vorstellungen diskutiert, wie sie in Zukunft gerne arbeiten würden. Dabei prallten die unterschiedlichsten Bedürfnisse aufeinander; vom Wunsch nach Ruhe in einer einsamen Dichterkammer bis zum wuseligen Großraumbüro. Diskutiert wurde auch, ob in Stillarbeitsräumen still gearbeitet oder gestillt werden sollte. Die Ergebnisse der Workshops waren die Grundlage für die Aufgabenstellung des Architektenwettbewerbs.

Die Debatten über Raum- und Nutzungskonzepte waren zeitweise sehr kontrovers und damit auch ermüdend. Aber kaum war die redaktionelle Deadline gesetzt, zeigte die taz Entscheidungsfreudigkeit und die Ergebnisse wurden pünktlich abgeliefert. Es war nicht das letzte Mal in diesem Bauprozess, dass die Diskussions- und Streitfreudigkeit, gekoppelt mit der Fähigkeit zum „Redaktionsschluss“ zu liefern, zu einem extrem guten Ergebnis führen sollte.

Viele Investoren bevorzugen einen kleinen, elitären Wettbewerb. Die taz dagegen entschied sich für ein großes, geregeltes Verfahren, dessen Fairness auch durch die Architektenkammer Berlin gesichert wurde. Nach einer EU-weiten öffentlichen Bekanntmachung bewarben sich 312 internationale Büros für die Teilnahme am Wettbewerb. Sie alle erkannten die attraktive Aufgabe und außergewöhnliche Bauherrin und waren bereit, Ideen für ein neues taz-Haus zu entwickeln. Ein Auswahlgremium, besetzt aus vier tazlerInnen, unabhängigen Fachleuten und VertreterInnen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, wählte aus den 312 Bewerbungen 18 erfahrene und sieben junge Büros zur Teilnahme an dem Wettbewerb aus.

Bei einem offiziellen Ortstermin für die teilnehmenden Büros führte Karl-Heinz Ruch die ausgewählten ArchitektInnen durch das Redaktionsgebäude in der Rudi-Dutschke Straße. Sie sollten ein Gefühl dafür entwickeln, für wen sie das neue Gebäude entwerfen. Was sie vorfanden, war für manche eine echte Überraschung. Sie fanden keine gestylte Arbeitslandschaft vor, sondern bewunderten Papierberge auf Schreibtischen, die den Gesetzen der Physik trotzten. Nach dem Rundgang waren die meisten begeistert, sie hatten Lust, für diese unkonventionelle Bauherrin ein neues Haus zu entwerfen.

Alle 25 ausgewählten Teilnehmer reichten im Frühjahr 2015 einen Entwurf ein. Jedes einzelne Büro investierte nicht nur Leidenschaft und Arbeitszeit, sondern auch viel Geld. Die Entwurfspalette war begeisternd vielfältig und reichte von streng-gerastert über japanisch-leicht bis zu geschichteten Treppen- und Arbeitslandschaften.

Drei Wochen lang wurden die Entwürfe für das Preisgericht auf Qualität, Quantität, Kosten und Energieeffizienz vorgeprüft. Die Jury tagte an einem sehr heißen Tag im Juli 2015 und war besetzt mit renommierten ArchitektInnen, dem Baustadtrat des Bezirks, der Senatsbaudirektorin und VertreterInnen der taz. Diese stellten mit vier SachpreisrichterInnen nur die Hälfte der Stimmen, da sie bereit war, sich auf die kompetente Beratung durch das Fachpreisgericht einzulassen. Das hielt sie aber nicht davon ab, lebhaft und erstaunlich versiert die unterschiedlichen Entwürfe zu analysieren.

Nach zwölf Stunden intensiver Diskussion über Städtebau, Architektur und innenräumliche Qualitäten fiel die Entscheidung für den ersten Preis. Abends um 21 Uhr war der Entwurf für das neue taz-Haus endlich gefunden.

Die Jury kommentierte, der Entwurf zeichne sich durch „ein System ohne Hierarchien“ aus und zeigte sich von Funktion und Ästhetik des Tragwerks gleichermaßen beeindruckt. Das Preisgericht lobte die „Fachwerkstruktur“, die das Image der taz als „Werkstatt und Produktionsstätte“ widerspiegele. Ablesbar seien „Bezüge vom Konstruktivismus über den sowjetischen Radioturm bis zum spacigen Club Berghain.“ Die Mehrheit der Jury war überzeugt. Mit diesem Entwurf, weitab eines konventionellen Bürogebäudes, konnte sich die taz wunderbar identifizieren.

Zu den Prinzipien eines guten Wettbewerbsverfahrens gehört, dass alle Entwürfe bis zur Entscheidung des Preisgerichts streng anonym bleiben. Damit wird gewährleistet, dass sich niemand von renommierten Namen beeinflussen lässt und tatsächlich der beste Entwurf ausgewählt wird. Deshalb gehört es zu den spannendsten Momenten des Verfahrens, wenn die Umschläge mit den Namen der VerfasserInnen geöffnet werden.

Vor allem für die Bauherrin – auch wenn es sich bei der taz um die coolste Bauherrin ever handelt – war dies ein extrem emotionaler Moment. Glücklich über das Ergebnis, aber jetzt die offene Frage: mit wem werden wir bauen, wer sind die VerfasserInnen, die sich hinter dem Entwurf verbergen?

Als der Name E2A aus Zürich fiel, entspannte sich das Gesicht von Kalle Ruch, er lächelte erschöpft aber glücklich. Denn diesen Namen kannte er. Das Büro E2A hat das Haus der Heinrich Böll-Stiftung in Berlin entworfen. Die VertreterInnen der taz wussten, dass diese Architekten dem Abenteuer Bauen mit der taz gewachsen sein werden.

Und so war es dann auch. Zügig war ein kompetentes und engagiertes Team aus Projektsteuerern, FachplanerInnen, Bauleitung sowie allen weiteren nötigen Sachverständigen zusammengestellt. Die Berliner reisten gemeinsam nach Zürich, um die beiden Architekten Piet und Wim Eckert und deren Team zu besuchen.

Der Entwurf für den Neubau kam auch bei den MitarbeiterInnen und den GenossInnen sehr gut an. Vor allem die stützenlose Großräumigkeit gefiel. Sie stellte eine frei gestaltbare Arbeitsorganisation und den Erhalt des taz-typischen Raumspirits mit seinem chaotisch, vielfältigen und individualisierten Ordnungsprinzip in Aussicht.

Während das Planerteam den Gebäudeentwurf weiter präzisierte, begann man in der taz die Arbeits- und Organisationstrukturen auf den flexibel gestaltbaren Etagengrundrissen zu diskutieren.

In Workshops wurden Schreibtischkärtchen auf Plänen hin- und hergeschoben und Arbeitsinseln gebildet. Es wurde um die Anzahl der Tische gestritten und festgelegt, wer auf welchem Geschoss mit wem arbeiten wird. Gerungen wurde um das Verhältnis zwischen Offenheit und Abgeschlossenheit und um die Anordnung der Rückzugsräume.

Gleichzeit stand das Planerteam vor der Herausforderung, die Bedürfnisse der Bauherrin zusammen mit den komplexen Anforderungen an die Sicherheit, Akustik, Raumklima, Brandschutz, Licht, Datenversorgung und vielem mehr zu erfüllen.

Die Geschäftsführung hat in kluger Weise den vorhandenen Sachverstand und das Engagement der tazlerInnen für das neue Haus genutzt. So wurden z.B. die EDV, das taz-café, die Werbung und die stellvertretende Chefredakteurin Barbara Junge mit ihrem unermüdlichen Einsatz zur Optimierung der Anordnung der Arbeitsplätze in den Prozess eingebunden.

Die taz als Bauherrin beherrschte im gesamten Planungs- und Bauablauf das Instrument des Miteinanders auf faszinierende Weise. Sie beteiligte uns alle nicht nur, sondern sie ließ uns Teil von einem Ganzen werden. In allen Schritten zum neuen Haus hat sie das Engagement und die Arbeit jedes Einzelnen gewürdigt. Sie hat von Anfang an offen und fair gestritten, diskutiert und gleichzeitig gut zugehört und auf die Kompetenzen der Fachleute vertraut. Diese Fähigkeiten macht die taz als Betrieb so einzigartig und erzeugt damit Engagement und Spaß beim Mitarbeiten und Dabeisein.

Das hierarchielose Miteinander ist nicht nur das Bild, das die Architekten so überzeugend architektonisch umgesetzt haben, es wird in der taz gelebt. Es war ein großer Mehrwert im Planungs- und Bauprozess und ist entscheidend für den Erfolg des gemeinsamen Bauens.

Die taz hat zusammen mit den Architekten der Baukultur ein großes Geschenk gemacht und die Stadt mit diesem Haus bereichert.

Gleichzeitig hat sie als Bauherrin eine beispielhafte Kultur des Bauens praktiziert.

Ulrike Lickert ist Architektin in Berlin. Als Bauherrenbegleitung für den taz Neubau war sie seit 2014, vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung 2018 dabei.

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