: Der Typische Plan
Um den Bedingungen einer zeitgenössischen Arbeitsumgebung gerecht zu werden, generiert der offene Grundriss im Wesentlichen drei Zonen: Einen schlanken Flügel entlang der Brandwand im Süden, einen zentralen, „kommunikativen“ Teil bei der Haupttreppe, und den großzügigen Arbeitsflügel im Norden am Besselpark.
Text: Piet Eckert
Der typische Plan, auch bekannt als Regelgeschossplan, ist die Königsdisziplin der architektonischen Zeichnung. Angelegt in ihm ist das System seiner Wiederholung, seiner wiederkehrenden Logik und Regelmäßigkeit. Sie aufzuspüren und zu entdecken macht den Reiz des Plans aus. Die Ausnahme bleibt der einzige natürliche Feind des typischen Plans. Luigi Snozzis[1]Aphorismus hallt hier im Raum nach: «Lange Weile kannst du nur durch Wiederholung vermeiden», hat er uns vor Jahren vorgehalten. Die Qualität des Typischen liegt in der Erkennbarkeit und Authentizität des immer Gleichen und des vielfältig Anwendbaren. Der typische Plan braucht keine inszenierte Atmosphäre, keine beschönigte Stimmung oder extra Motivation. Er steht da wie er ist und ist bereit für das, was wir nicht kennen oder wissen können. Er wird ganz einfach von der taz besetzt – als Plattform nimmt man ihn in Beschlag, wie eine Bühne, die man erobern muss. Man verwirklicht sich, richtet sich ein, ob schräg oder gerade, mit oder ohne Pflanzen und neuen oder liebgewonnen Möbeln. Auch die Hunde aus der Rudi-Dutschke-Straße dürfen nun mitkommen.
Die Decke bildet das Ordnungsprinzip im Raum. Die weite Überspannung und die damit verbundene große räumliche Tiefe wird in Kassetten unterteilt. Anhand dieser lässt sich der Raum einteilen und in unterschiedliche Zonen fassen. Auf Eck-Büros mit hohen Glasanteilen wird verzichtet. Sie sind ein klimatischer Unsinn und der Chef sitzt besser in der Mitte als in der Ecke. Ab und zu stellt sich ein kleiner Raum in den Weg. Er ist sozusagen die Antipode der offenen Plattform. Der Blick in sein Inneres hinterlässt eine flüchtige Erinnerung an Kazuo Shinohara[2]. Eine diagonale Betonstütze kreuzt die Sicht nach Außen. Sie hinterlässt einen rätselhaften Eindruck, die Perspektive auf ein seltenes Fragment, das entkoppelt und doch Teil eines Ganzen zu sein scheint. Hier wird man sich temporär zurückziehen, um in Ruhe arbeiten zu können, aber auch die berüchtigten Lauttelefonierer dürfen hier ihren Hormonen freien Lauf lassen.
Der typische Plan der taz agiert typologisch und strukturell. Man kann das offene Prinzip von Raum und Struktur auch dahingehend verstehen, dass hier bewusst Gestaltungs- und Nutzungsfreiräume vorgesehen werden, die nicht im Sinne einer vorbestimmten Gestaltungslinie die effektive Nutzung des Raumes uniformieren möchten. Die strukturelle Unabdingbarkeit der räumlichen Weite und das Nutzen solcher Räume verbindet sich mit der Frage, wie man sich heute und in Zukunft den Herausforderungen der Medien und Pressewelt stellen wird. Der robuste Raum ist eine Antwort auf die heute so häufig überzeichneten Motto-, Stimmungs- und gefälligen Themenwelten, die interessanterweise gerade dann eingesetzt werden, wenn wenig Interpretationsraum bei der eigenen Arbeit gefordert oder auch geduldet wird. Sie bleiben kompensatorische Maßnahmen einer ansonsten homogenen Idee der Arbeit.
Luigi Snozzi
Die taz hat Erfahrung mit robusten Räumen. Gerhard Spangenbergs und Brigitte Steinkilbergs taz-Erweiterungsbau der frühen neunziger Jahre hat uns schon bei der ersten Begehung des Wettbewerbs beeindruckt. In der vordergründigen Dunkelheit entdeckt man nach einer Weile den gekonnten Umgang mit unprätentiösen, direkt erfahrbaren und kaum verkleideten Materialien. Die Kombination war hier viel entscheidender als das Material selbst.
Das Regelgeschoss wird von Hof und Treppe perforiert. Das ergibt unterschiedliche Raumtiefen mit komplexen Querbezügen. Der umlaufende Balkon macht den Hof zur Arena. Von allen Seiten schaut man nach unten. Von Innen sieht man durch die Treppe in den Hof. Wie ein offener Querschnitt erhält man Einsicht in die unteren und oberen Geschosse. Der Pirelli Bodenbelag zieht sich kontinuierlich durch. Mich erinnert er an den Terminal B des Zürcher Flughafens. Sich darauf zu bewegen, fühlt sich an wie auf Reise und man behält einen wachsamen Blick. Nicht anzukommen, tut der taz gut.
[1]Luigi Snozzi
*1932 in Mendrisio (Schweiz)
Ist ein Schweizer Architekt. Er war unter anderem eine zentrale Figur in der Tessiner Architekturschule, bekannt als Tendenza, welche eine eigenständige Architektur entwickelte.
[2]Kazuo Shinohara
*1925 in Shizuoka; 2006in Kawasaki
War ein japanischer Architekt, Lehrer und Schriftsteller. Lebenslang verband er Praxis und Theorie und untersuchte umfassend grundlegende, architektonsiche Dualitäten: öffentlich und privat, Größe und Kleinheit, Offenheit und Klausur, Chaos und Ordnung.
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