Krisenstimmung in Athen

Aus Protest gegen die Rechtspopulisten in der griechischen Regierung tritt Außenminister Nikos Kotzias zurück. Sein Amt übernimmt Ministerpräsident Alexis Tsipras nun höchstpersönlich

Im neuen Job muss Tsipras Prioritäten setzen. Eine davon: die Annäherung an Russland

Aus Athen Jannis Papadimitriou

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras gibt nicht auf – auch wenn sein Kabinett querschlägt: Am jüngsten Abkommen zur Beilegung des Namensstreits um Mazedonien will er festhalten und übernimmt sogar selbst das Außenministerium, um das „historische Abkommen“ umzusetzen. Hintergrund für das zusätzliche Amt ist der überraschende Rücktritt von Chefdiplomat Nikos Kotzias, der das Abkommen um Mazedonien persönlich ausgehandelt und auch gegen zahlreiche Widersacher in den eigenen Reihen verteidigt hat.

Kotzias größter Gegner ist Panos Kammenos, Verteidigungsminister und Chef der rechtspopulistischen ANEL-Partei. Wiederholt hatte dieser erklärt, er sei gegen einen Kompromiss im Namensstreit und werde auch im Parlament dagegen stimmen. Noch vor wenigen Tagen mahnte Kammenos in einem Fernsehinterview, es gäbe kein vom Parlament ratifiziertes Abkommen um Mazedonien, sondern lediglich ein durch den Außenminister paraphiertes Dokument. Die Äußerungen sind als weiterer Seitenhieb gegen Kotzias zu werten.

Wegen solcher Scharmützel lagen die beiden im Dauerzwist. Hinzu kam die Initiative von Kammenos bei seinem jüngsten USA-Besuch ohne Rücksprache mit Kotzias ein eigenes Sicherheitskonzept vorzuschlagen, das auch eine „Nato des Balkans“ und weitere Stützpunkte für US-Truppen in Griechenland vorsieht. In dieser Woche kam es dann zum offenen Streit während einer Kabinettssitzung. Laut griechischen Medienberichten verfolgte Tsipras die Auseinandersetzung schweigend, ohne Partei zu ergreifen. Für Kotzias war dies ein Zeichen mangelnder Rückendeckung. Anscheinend will Tsipras seinen Mehrheitsbeschaffer Kammenos nicht verlieren.

Für Sonntag hat dieser eine Sitzung seiner Parlamentsfraktion einberufen. Am Montag wird der Ex-Außenminister dann zu einer politischen Veranstaltung auf Kreta erwartet, die lange im voraus organisiert war und nun wie geplant stattfindet. Kotzias ist kein Mitglied der Syriza-Partei, sondern Chef seiner eigenen, linksgerichteten Bewegung. Auch in Zukunft will er Präsenz zeigen und für seine außenpolitischen Konzepte kämpfen, die auch eine Öffnung in Richtung China und Lateinamerika vorsehen. Für Aufsehen sorgte etwa seine Idee, gemeinsam mit China ein internationales „Forum der alten Zivilisationen“ zu gründen, bei dem auch Ägypten, Indien, Mexiko und andere Regionalmächte mitmachen.

Es ist unwahrscheinlich, dass Tsipras als Regierungschef und Außenminister in Personalunion das Konzept weiter verfolgt. Angesichts mehrerer Baustellen in der Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik wird sich der Linkspremier verstärkt auf das Wesentliche konzentrieren müssen. Dazu gehört auch die Wiederannäherung an Russland. Nach der Ausweisung von zwei russischen Diplomaten im Juli, denen eine Agententätigkeit vorgeworfen wurde, herrscht Eiszeit zwischen Athen und Moskau, die nicht zuletzt Kotzias zugeschrieben wird. Ausgerechnet Verteidigungsminister Kammenos will sich nächste Woche in Moskau um Wiedergutmachung bemühen. Bis Ende des Jahres wird auch Tsipras zu einem Staatsbesuch im Kreml erwartet.

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