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Airport-Arbeiter in Istanbul weiter in Gewahrsam

Gewerkschafter widersprechen offiziellen Angaben, denen zufolge die meisten wieder frei seien

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Nach einem Streik auf der Großbaustelle des dritten Istanbuler Flughafens sind nach wie vor etliche Arbeiter in Polizeigewahrsam. Am Freitag vergangener Woche hatte ein Arbeitskampf begonnen, dem sich im Laufe des Tages tausende Arbeiter anschlossen. Um den Protest niederzuschlagen nahm die Polizei am Samstag in den Unterkünften der Arbeiter mehr als 500 vermeintliche Provokateure fest.

Über den Verbleib der Festgenommenen gibt es fast eine Woche nach den Festnahmen widersprüchliche Angaben. Der Gouverneur von Istanbul, Vasip Şahin, erklärte, die meisten seien wieder auf freiem Fuß. Verschiedene Gewerkschafter berichteten dagegen, nach wie vor würden bis zu 400 Arbeiter festgehalten.

Den vom Gouverneur verbreiteten Zahlen zufolge waren insgesamt 401 Arbeiter festgenommen und davon 275 wieder entlassen worden. Bei den anderen prüfe die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe noch.

Die Situation der Festgenommenen ist schwer zu überprüfen, weil sie in verschiedenen Istanbuler Polizeistationen festgehalten werden. Zudem können Gewerkschafter die Baustelle und das Gelände, auf dem die Unterkünfte der Arbeiter stehen, nicht mehr betreten dürfen. „Ich habe keine Informationen mehr zur Lage der Arbeiter“, sagte Özgür Karabulut, der Vorsitzende einer Bauarbeitergewerkschaft, gegenüber der Deutschen Presseagentur. Die Baustelle sei abgesperrt.

Hintergrund der Auseinandersetzung sind die offenbar teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen. Nach Angaben des Verkehrsministeriums starben bislang mindestens 27 Arbeiter auf der Baustelle, 13 der Todesfälle standen demnach in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeit. Bauarbeiter berichten, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer wesentlich höher sei. Auch klagen Arbeiter über verschleppte Bezahlung und eine schlechte Unterbringung.

Auf der Großbaustelle sind mehr als 30.000 Arbeiter im Einsatz, rund 15.000 leben auf einem Gelände unweit der Baustelle. Weil der Flughafen am 29. Oktober, dem Jahrestag der Gründung der türkischen Republik, von Präsident Recep Tayyip Erdoğan eröffnet werden soll, wurde der Arbeitsdruck in den letzten Wochen erhöht. Auch wurden weitere Arbeiter eingestellt, wodurch der Platz in den Wohnbaracken noch enger wurde.

Ausgelöst wurde der Ausstand am Freitag – offiziell ein illegaler Streik – durch den Unfall eines Shuttlebusses, bei dem 17 Arbeiter verletzt wurden. Nach Angaben des Gouverneurs ist die Betreiberfirma IGA den Forderungen der Arbeiter entgegengekommen. Der Betrieb auf der Baustelle laufe wieder normal.

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