: „Juden und Muslime gehören zu uns“
In der Generaldebatte im Bundestag holt Kanzlerin Merkel aus: gegen Hetze und Gewalt, gegen Nazi-Parolen und Anfeindungen von Menschen, die anders aussehen
Aus Berlin Anja Maier
„Nein, ich möchte das geschlossen vortragen“, antwortet Angela Merkel auf die Frage des Bundestagspräsidenten, ob sie eine Zwischenfrage der AfD zulasse. Und das macht Merkel dann auch: Am Mittwochmorgen trägt die Kanzlerin in der Generaldebatte des Bundestages dreißig Minuten lang vor. Ihre Rede unterteilt sie in je einen reflektierenden und einen steuerpolitischen Teil.
Der Bundestag debattiert in dieser Haushaltswoche einen Etat von 356,8 Milliarden Euro für 2019. Es sind die Steuern der BürgerInnen, die hier verteilt werden. Aber in Zeiten voller Kassen scheinen gesellschaftliche Fragen interessanter zu sein: Chemnitz und Köthen, Maaßen und Seehofer.
Als Chef der größten Oppositionsfraktion hat vor Merkel Alexander Gauland das Wort. Zu haushaltspolitischen Fragen verliert der AfD-Mann kein Wort. Stattdessen sagt er, Merkel hätte die „Fake News“ verbreiten lassen, in Chemnitz sei es zu Hetzjagden gekommen. „Tatsächlich war die Polizeibilanz in Chemnitz nicht anders als bei einem mittleren Bundesligaspiel.“ Unter den DemonstrantInnen habe es „ein paar aggressive Hohlköpfe gegeben“, sagt Gauland. Die „Ausländer-raus-Schreier“ und die „Hitlergruß-Zeiger“ seien doch die größte Hoffnung für die Bundesregierung. „Wenn es diese Idioten nicht gäbe, wäre das doch eine Katastrophe für Sie.“
Noch während der Rede tritt Martin Schulz vor und bittet um die Möglichkeit einer Intervention. Die hat er nach Gauland. Der Ex-SPD-Vorsitzende sagt hörbar empört, die Reduzierung komplexer politischer Sachverhalte auf ein einziges Thema sei ein „Mittel des Faschismus“. „Eine ähnliche Diktion hat es in diesem Hause schon einmal gegeben.“ Mit Blick auf Gaulands frühere Äußerung, wonach Hitler und die Nazis „nur ein Vogelschiss“ gewesen seien, sagte Schulz: „Die Menge von Vogelschiss ist ein Misthaufen und auf den gehören Sie in der deutschen Geschichte.“ Die Mehrheit der Abgeordneten applaudiert Schulz stehend.
Dann tritt Merkel ans Pult. Sie fordert eine Absage an Hass und Gewalt und warnt vor einer Bagatellisierung rechtsextremer Ausschreitungen. Straftaten von AsylbewerberInnen müssten aufgeklärt und bestraft werden. Das sei aber „keine Entschuldigung und Begründung für Hetze, zum Teil Anwendung von Gewalt, Nazi-Parolen, Anfeindung von Menschen, die anders aussehen, die ein jüdisches Restaurant besitzen, Angriffe auf Polizisten“. Es dürfe bei der Achtung der Menschenwürde keinen Rabatt geben.
„Juden und Muslime gehören genauso wie Christen und Atheisten zu unserer Gesellschaft, in unsere Schulen, in unsere Parteien, in unser gesellschaftliches Leben.“ Der Konsens darüber entscheide über den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Konkretion bleibt Merkel schuldig. Auf die Äußerungen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der die Echtheit eines Videos über die Ereignisse in Chemnitz angezweifelt und den Vorwurf „gezielter Falschinformation“ in den Raum gestellt hatte, geht sie nur indirekt ein. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, lässt ihr das nicht durchgehen. Maaßen blase zur Attacke auf die Bundeskanzlerin. „Frau Merkel, das dürfen Sie sich nicht bieten lassen.“
Auch SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles übt heftige Kritik an Maaßen. Er sei nach der Aufdeckung der Terrorgruppe NSU eingesetzt worden, um den Verfassungsschutz gegen rechte Verfassungsfeinde aufzustellen – „mit begrenztem Erfolg“. Die Grüne Katrin Göring-Eckardt sagt mit Blick auf Berichte über Gespräche zwischen Maaßen und führenden AfD-Politikern, man wisse nicht so genau, ob Maaßen „rechtsaußen beobachtet oder coacht“.
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