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„Frausein definieren wir verschieden“

Darf eine *trans Frau Zugang zu Frauenräumen haben? Nein, sagt Radikalfeministin Manuela Schon. Ja, findet Queerfeministin FaulenzA. Ein Streitgespräch über Patriarchat und Toiletten

Interview Juliane Fiegler

taz: Frau Schon, Sie verstehen sich als Radikalfeministin. Warum?

Manuela Schon: Früher habe ich eher liberalfeministische Ansichten vertreten, aber mit der Zeit habe ich meine Position geändert und finde, dass der Radikalfeminismus bessere Analysen und Antworten für die Probleme unserer Zeit hat.

FaulenzA, Sie orten sich dagegen dem Queerfeminismus zu.

FaulenzA: Ja, für mich ist das eine Community, die versucht, sich mit eigenem Diskriminierungsverhalten und Privilegien auseinanderzusetzen und die für eine Welt ohne Unterdrückung und Diskriminierung kämpft. Deshalb fühle ich mich da zu Hause.

Geht es bei den beiden feministischen Ausrichtungen also nur um eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung?

Schon: Ich glaube, auch das Ziel ist ein anderes. Natürlich gibt es Schnittpunkte, aber das Ziel des Radikalfeminimus ist die Befreiung der Frau aus den patriarchalen Strukturen, während das Ziel des Queerfeminismus eher die Selbstermächtigung in den bestehenden Strukturen ist. Als Radikalfeministin will ich aber neue Strukturen.

Manuela Schon

Jahrgang 1982, aus Wiesbaden, ist Soziologin, Aktivistin und Mitglied des radikalfeministisches Bloggerinnenkollektiv „Störenfriedas“.

Ist Ihr Ziel als queerfeministische *trans Frau die Selbstermächtigung innerhalb der Strukturen, aber nicht die Veränderung bestehender Strukturen, FaulenzA?

FaulenzA: Ich würde sagen, beides – zum einen hatte ich selbst viel damit zu kämpfen, mich in den bestehenden Strukturen sicher zu fühlen, mich auf der Straße sicher bewegen zu können, und dazu gehört auch Selbstermächtigung. Aber mir ist es auch wichtig, gegen das bestehende System zu kämpfen, weil Kapitalismus Menschen tötet.

Frau Schon, woher der Vorwurf gegen Radikalfeministinnen, sie seien transfeindlich?

Schon: Eine radikalfeministische Analyse unterscheidet zwischen „sex“ als biologischem und „gender“ als sozialem Geschlecht und möchte jene ansozialisierten und einschränkenden Geschlechterrollen-Erwartungen zerstören. Ich denke, es gibt viele Kämpfe von *trans Frauen, die auch Radikalfeministinnen unterstützen. Bei der Freigabe hart erkämpfter Frauenräume für *trans Frauen werden wir wohl nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Einfach, weil wir Frausein anders definieren.

FaulenzA: Dass die Geschlechtsidentitäten von *trans Personen akzeptiert werden, ist eine zentrale Forderung für mich. Und dass die Frauenräume, die FLT-Räume, auch für *trans weibliche Personen sicherer gemacht werden. Zu sagen, dass eine *trans Frau keine Frau wäre, ist Diskriminierung! Für mich ist es auch nicht ok, *trans Frauen aus Frauen­räumen auszuschließen. Da sollten sich nicht nur weiße *cis Frauen wohlfühlen können. Deshalb versuche ich mich mit meinen weißen Privilegien und meinem eigenen Diskriminierungsverhalten auseinanderzusetzen.

In Frauenräumen sollten sich nicht nur weiße *cis Frauen wohl fühlen können.

FaulenzA

Schon: Das ist natürlich schwierig, weil du eine individuelle Betroffenheit hast, das ist absolut legitim, was du sagst. Trotzdem glaube ich, dass es sich anders auf das Leben eines Menschen auswirkt, wenn dieser Mensch einen Körper hat, der menstruiert und der schwanger werden kann. Ich bin dafür, dass *trans Frauen Räume haben, in denen sie sich austauschen können, aber ich finde, es geht zu weit, wenn alle Frauen­räume freigegeben werden.

Was wäre denn die Folge einer Öffnung der Frauenräume?

Schon: Das führt dazu, dass bereits auf Ladyfesten Menstruationsworkshops abgesagt wurden, weil *trans Frauen sagen, dass sie dadurch diskriminiert sind, weil sie nicht menstruieren können. Das schränkt dann die Möglichkeit für menstruierende Frauen ein, sich über ihre Lebensrealitäten auszutauschen. Diese Möglichkeit muss es aber geben. Mit dieser Forderung dann als transphob hingestellt zu werden, halte ich für ein Problem.

FaulenzA: Bei Menstruationsworkshops wäre es mir wichtig, Menstruation nicht zwingend mit dem Frausein zu verknüpfen. Dass es ein Bewusstsein dafür gibt, dass weibliche Körper unterschiedlich sind und *trans Frauen auch weibliche Körper haben. Im Störenfriedas-Blog wird aber sogar gefordert, *trans Frauen von Frauentoiletten auszuschließen. *Cis Frauen wissen ja nicht, wie es ist, keine öffentlichen Toiletten nutzen zu können, weil dann gesagt wird „Du bist ja gar keine Frau“.

Schon: Ich finde, du sprichst damit ein wichtiges Problem an.

FaulenzA

Jahrgang 1987, aus Berlin, ist Rapperin, *trans Aktivistin und Buchautorin. Im November erscheint ihr neues Album „Wunderwesen“.

Könnten Unisex-Toiletten eine Lösung sein?

Schon: Frauen in meinem Umfeld, die sexuelle Gewalt erlebt haben, meiden diese Räume aufgrund ihrer Gewalterfahrung. Sie müssten dort damit rechnen, eventuell einen Penis zu sehen. So wurde ihnen im Grunde öffentlicher Raum genommen. Aber ja: Es muss für *trans Personen eine Möglichkeit geben, sich nicht nach Männer- oder Frauentoilette einordnen zu müssen. Wie wäre es zum Beispiel, einfach vollständig geschlossene Toilettenräume zu haben, die abschließbar sind und in denen es auch jeweils ein Waschbecken gibt?

FaulenzA: Das fände ich auch gut. *Trans Frauen müssen aber auf Frauentoiletten akzeptiert werden. In Toiletten mit Kabinen muss auch niemand damit rechnen, einen Penis zu sehen.

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