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Nach Unfall mit vier toten KindernElektro-Stehroller unter Verdacht

Bei einem Unglück starben vier Kinder. Jetzt wird in den Niederlanden über die Sicherheit von E-Rollern mit Kofferaufbau diskutiert.

Tod durch E-Roller: der Unfallort im niederländischen Oss Foto: dpa

Amsterdam taz | Nach einem tragischen Unglück wird in den Niederlanden über die Sicherheit elektrischer Stehroller diskutiert. In der Kleinstadt Oss nahe Nijmegen waren am Donnerstag vier Kinder zwischen vier und acht Jahren getötet worden, als ein mit Sitzen ausgestatteter E-Roller eine Bahnschranke durchbrach und von einem Zug erfasst wurde. Ein weiteres Kind und die Begleiterin wurden schwer verletzt.

Die Frau war unterwegs von einer Betreuungseinrichtung zur Schule. Augenzeugen sagten im Radio, dass die Bremsen versagt hätten. Die Fahrerin habe vor der Kollision gerufen, dass sie das Fahrzeug nicht mehr bremsen könne, das in den Niederlanden auch nach seinem Hersteller „Stint“ genannt wird.

Zwar hat der staatliche Straßenverkehrsdienst RWD die ­E-Räder für sicher erklärt. Beim Stint steht der Fahrer hinter einer Art großen Kiste, in der bis zu zehn Kinder sitzen können. Das Gefährt gehört zur Kategorie „Besondere Motor-Fahrräder“ und kann von Personen ab 16 Jahren ohne Lizenz gefahren werden. Bei der Lieferung wird ein Training angeboten, das jedoch nicht obligatorisch ist.

Momentan wird der Unglückshergang untersucht. Die Polizei wertet dabei auch die Bilder der Frontkamera des Zugs aus. Das Ministerium für Infrastruktur will die Zulassung der Lastenräder erneut analysieren. Die Verkehrssicherheitsorganisation Verkeer Veilig Nederland (VVN) betonte, ein Fahrtraining sei „wirklich notwendig“. Die Tageszeitung Telegraaf zitierte VVN-Sprecherin José de Jong: „Man muss doch lernen, mit einem solchen Apparat umzugehen.“

Das Gefährt wiegt 218 Kilo

Zwischen 3.000 und 3.500 elektrische Stehroller mit Kofferaufbau transportieren derzeit in den Niederlanden wöchentlich 50.000 bis 60.000 Kinder, so die Herstellerfirma Stint. Das 1 Meter breite und 2,29 Meter lange Gefährt wiegt 218 Kilo. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 17 km/h. Seit 2012 sind die Fahrzeuge im Angebot, wahrscheinlich fahren sie auch in Deutschland.

Mehrere Einrichtungen für Kinderbetreuung kündigten an, vorläufig keine Stints mehr zu benutzen. KindeRdam aus Rotterdam will die Untersuchungen des Herstellers abwarten. Auch Humanitas mit 327 Betreuungseinrichtungen die größte Organisation des Landes, betonte, „bis die Untersuchungen die exakte Ursache des Unglücks ergeben haben“, werde man die Fahrzeuge stehen lassen und Taxen oder Autos nutzen. Der Betreiber besitzt 60 Stints, die nun vom Hersteller kontrolliert werden sollen.

Die Verkehrssicherheitsorganisation VVN warnte vor voreiligen Schlüssen: „Ich verstehe die Reaktion der Einrichtungen. Aber die Stints wurden aus guten Grund angeschafft“, zitieren Medien Sprecherin de Jong. Bislang galten sie als umweltfreundliche Alternative zu Bussen und Taxis, die just vor Schulen selbst häufig ein Sicherheitsrisiko darstellten.

Anmerkung der Redaktion, 24.09.2018: In einer früheren Version dieses Textes war aufgrund eines Redigierfehlers der „Stint“ als Fahrrad bezeichnet worden.

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10 Kommentare

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  • Mein herzliches Beileid. Das sind die Meldungen, die mir als Vater den Magen zusammenschnüren. Und mich als Radfahrer und E-Biker zum Nachdenken veranlassen:

    www.facebook.com/1.../2220022468243686/

  • Ich kann sehr gut verstehen das eine falsche Nachricht Verärgerung bei allen E-Bikern hervorruft ! Nur eines sollte niemand unterschätzen : Die allgemeine Elektrifizierung von Fahrrädern ist gerade in den Anfängen und birgt Risiken die ich selbst schon erfahren habe. Nicht nur ältere Menschen die schnell zum Risiko werden wenn sie mit einer brennsligen Situation überfordert sind , sondern auch übermütige jüngere stellen meines Erachtens eine zunehmende Gefahr dar. Zur Zeit ist das E-Bikeaufkommen in den Städten noch recht überschaubar..... in 3-5 Jahren sieht es Sicherlich anders aus und es wird bestimmt häufiger über tötliche Unfälle zu lesen sein. Mich würde interessieren wie die Berichterstattung ausgesehen hätte wäre der Stind von einem KFZ erfasst worden ? Nach gültigem ( Versicherungs-)Recht ist fast ausschließlich das KFZ schuld ! Egal wie der Unfall zustande gekommen ist ! Eine vernünftige rechtliche und Versicherungtechnische Regelung ist meines Erachtens unbeding Notwendig ! Ich bin ein absoluter Fan von dieser neuen umweltfreundlichen art sich fortzubewegen , aber leider spielt auch hier der Technische und Menschliche Faktor eine sehr große Rolle die mit zunehmender menge an E-Bikes gerecht beplankt werden muß !

    • @Bodo Klimmek:

      "Nicht nur ältere Menschen die schnell zum Risiko werden wenn sie mit einer brennsligen Situation überfordert sind , sondern auch übermütige jüngere stellen meines Erachtens eine zunehmende Gefahr dar."

      Danke. Das ist auch meine Beobachtung. Die Geschwindigkeit und der Bremsweg wird schnell unterschätzt. Als ich meinem Sohn das Fahrradfahren beigebracht habe, waren die E-Bikes tatsächlich am rücksichtslosesten. Das dürfte nicht mal böswillig sein. Während aber sportlich (Renn-)Radfahrer stark abgebremst haben, wenn sie an meinem Sohn vorbeigefahren sind, habe ich bei den (älteren) E-Bike-Fahrern und Fahrerinnen keine merkliche Verzögerung feststellen können.

      Hat aber erstmal nichts mit dem Unfall zu tun, über den die taz berichtet.

  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Die Meldung "Lastenrad stößt gegen Zug – vier Kinder in Niederlanden tot" kam ja schon vor ein paar Tagen im Tagesspiegel und wurde dankenswerterweise von den Lesern als inkorrekt identifiziert. Die Fahrzeuge "Stint" haben wenig bis nichts mit "E-Bike" oder "elektrischem Lastenrad" zu tun! Ein Stint ist ein Kraftfahrzeug, allein durch einen Elektromotor betrieben, ohne jede Muskelkraft. In Deutschland dürfte sowas z.B. auf keinem Radweg fahren. Warum wegen eines KFZ-Unfalls jetzt die Sicherheit von Lastenrädern diskutiert werden soll ist rätselhaft.

    Bitte hier mal die Leserkommentare checken:

    www.tagesspiegel.d...-tot/23093998.html

    • @90618 (Profil gelöscht):

      Danke für den Verweis auf den Tagesspiegel-Artikel und mein dortigen Kommentar.



      Mittlerweile habe ich den Verdacht, dass hier entweder ein Übersetzungsfehler vorliegt, oder jemand Äpfel mit Birnen vergleichen will.

      Hier nochmals der TSP-Kommentar als taz-Variante:

      "Hier der Link zur Hersteller-Seite:

      stintum.com/projecten/bso/

      Bereits beim Aufruf der Seite



      stintum.com



      kommt eine Mitteilung des Herstellers zum Unfall.

      Es ist ÜBERHAUPT kein Lastenfahrrad, sondern ein elektrischer Kleinlastentransporter, der auch für Post-Verteilung usw. eingesetzt wird. Bei jedwedem Fahrrad tritt man in irgendwelche Pedale, um Vortrieb zu erzeugen (egal ob elektrisch untersützt oder nicht), was hier nicht mal ansatzweise vorhanden ist.

      Hier sollte die taz SOFORT korrigieren, weil ansonsten die Diskussion bei flüchtigen Lesern vollkommen abdriften könnte. "

  • Seit 2012 im Angebot und jetzt erst ein tragischer Unfall, das schafft kein Bus/Auto: Ich würde aus rein statistischer Sicht vor einem Umstieg in die alten Verkehrsmittel warnen. 2017 starben ca. 3180 Menschen im Verkehr, davon nur 328Radfahrer (die meisten wegen LKW/PKW kontakt). Radfahren ist also immernoch sicherer.

    Trotzdem: Über 200Kg Gefährte sollte man nicht ohne Lizenz und ohne gescheite, getüfte Bremsen herumkutschieren. Das musste ja irgendwann schiefgehen. Mein Beileid für die Angehörigen...

    • @Sven Svarson:

      Fährräder mögen absolut gesehen, sicherer sein. In Relation zum gefahrenen Kilometer schneiden Fahrräder katastrophal im Verhältnis zum Auto ab.

      Bitte nicht falsch verstehen: Wer für die Todesfälle verantwortlich ist, ob Auto- oder Fahrradfahrer hat damit erstmal nichts zu tun. Das ist eine andere Diskussion.

    • 9G
      90618 (Profil gelöscht)
      @Sven Svarson:

      Sven, auf 200 kg kommt man ganz schnell mit den meisten Lastenrädern (meines wird vom Hersteller mit "bis 300 kg" Gesamtgewicht angegeben), bei einem Fahrrad mit Anhänger oder bei einem Tandem. Gescheite Bremsen sind erforderlich, aber eine "Lizenz" halte ich für übertrieben.

      Der Unfall um den es hier geht, war ein Unfall zwischen KFZ(!) und Bahn. Ein Fahrrad bzw. Lastenrad war nicht beteiligt.

      • @90618 (Profil gelöscht):

        Zitat: "...ein mit Sitzen ausgestattetes E-Fahrrad..." Ja es ist auch ein KFZ: Da mit Strom angetrieben. Aber eben auch ein Fahrrad: Es ist beides.

        Zur Lizenz: Für ein Mopped braucht man auch einen Schein und das wiegt weniger und muss trotzdem zum TüV. Daher halte ich ein kleines Nummernschild mit TüV-Plakette und eine Fahrerlaubnis für schwerere E-Bikes für sehr sinvoll. Vorallem wenn damit mehrere Personen gefahren werden können.

        @Strolch, erstmal bitte eine Quelle für Ihre Behauptung angeben. Dann reden wir weiter.

        • @Sven Svarson:

          Ah, ich lese erst gerade jetzt was es mit der KFZ-definition auf sich hat. OK, die Formulierung in diesem Artikel bezüglich des Gefährts ist ein wenig irreführend. Meine Meinung gegenüber schwereren E-Bikes bleibt aber ;)