: Richtig angepackt geht super auch fair
Quinoa liegt in Deutschland und vielen anderen Ländern sehr im Trend und wird als Superfood angepriesen. Ökologisch und sozial hat der Hype zum Teil katastrophale Folgen. Biostandards und fairer Handel garantieren hingegen eine bessere Bilanz
Unter Superfood werden besonders nährstoffreiche Lebensmittel zusammengefasst, vor allem aus dem Bereich Obst und Gemüse. Dazu gehören neben Quinoa vor allem Açai-Beeren, Algen, Amaranth, Avocado, Chia-Samen, Goji-Beeren, Kokosmehl, Mandelmehl, Matcha-Tee, Moringa und Weizengras.
Sie sollen wahre Wunder bewirken: beim Abnehmen unterstützen, Depressionen heilen, gegen Erkältungen, Alzheimer und Krebs helfen. Deshalb liegt Superfood seit einigen Jahren voll im Trend.
Viele dieser Wunder-Lebensmittel stammen aus Südamerika, Asien oder Südafrika. Nicht zuletzt deshalb ist die Umweltbilanz vieler Superfoods katastrophal und die Kleinbauern in den Herkunftsländern leiden unter unserem Superfood-Wahn.
Von Kristina Simons
Quinoa hat es inzwischen bis ins Weltall geschafft. Mit seinem hohen Protein- und Mineralstoffgehalt liefert das Pseudogetreide Astronauten in der Schwerelosigkeit wichtige Nährstoffe. Pseudo, weil es echtem Getreide ähnelt, botanisch jedoch zu den Gänsefußgewächsen zählt. Für die irdische Bevölkerung in den Anden ist Quinoa schon seit mehr als 6.000 Jahren ein Grundnahrungsmittel, es wird deshalb auch als „Mutterkorn der Inkas“ bezeichnet. „Viele verbinden mit Quinoa etwas Exotisches, das heilende Kräfte besitzt“, erläutert Wilfried Bommert, Agrarwissenschaftler und Vorstand des Instituts für Welternährung. „Das hat eine entsprechend große Anziehungskraft.“
Quinoa liegt in Deutschland und vielen anderen Ländern sehr im Trend und wird als Superfood angepriesen. Vom Arme-Leute-Essen der Anden-Bevölkerung ist es zum weltweit verbreiteten Nährstoffwunder avanciert. Tatsächlich hat Quinoa einen hohen Eiweißgehalt und enthält essenzielle Aminosäuren, viele Ballaststoffe, Mineralstoffe, Vitamine und wichtige Fettsäuren, unter anderem Linolsäure und Omega3-Fettsäuren. Außerdem ist Quinoa glutenfrei und deshalb besonders bei Menschen beliebt, die unter einer entsprechenden Unverträglichkeit leiden.
Doch es gibt noch eine andere Seite: So tragen nicht nur die langen Transportwege zur schlechten Ökobilanz von Quinoa bei. Der Quinoa-Boom hat auch negative soziale Folgen für die Kleinbauern in den Herkunftsländern. Gerade für die arme Bevölkerung in den traditionellen Anbaugebieten sind die nährstoffreichen Körner bis heute wichtig für Ernährung und Gesundheit. Doch ein Großteil geht in den Export: Allein zwischen 2007 und 2013 haben sich die Quinoa-Ausfuhren vervierfacht. Als die Vereinten Nationen 2013 zum „Internationalen Jahr der Quinoa“ ausriefen, erreichten sie Rekordwerte. Die meisten Quinoa-Felder liegen in Peru und Bolivien. Quinoa ist hier ein echter Exportschlager, ein Großteil der jährlichen Ernte geht in die Vereinigten Staaten, nach Kanada, in die Europäische Union, nach Israel und Brasilien. Der Bedarf der Menschen vor Ort lässt sich dadurch zum Teil nicht mehr decken.
Obwohl es zum Beispiel in Bolivien 3.000 verschiedene Ökotypen des Korns gibt, landet fast ausschließlich weiße Quinoa mit ihren großen Körnern in den Regalen der hiesigen Bioläden und Supermärkte. Dadurch nimmt die Sortenvielfalt auf den Äckern ab. Die Preise für Quinoa sind jedoch dramatisch gestiegen. VerbraucherInnen in Deutschland zahlen für ein Kilo heute im Schnitt 8 Euro. Die Kleinbauern profitieren davon aber nicht. „Sie erhalten hochgerechnet etwa 7 Prozent des Preises, den wir für Quinoa im Laden bezahlen“, sagt Wilfried Bommert. Zugleich allerdings kann sich die lokale Bevölkerung das Lebensmittel kaum noch leisten.
Mit dem höheren Preis und den gestiegenen Produktionsvolumina steigt auch der Wettbewerbsdruck. „Viele Kleinbauern können den Exportbedarf nicht mehr bedienen und werden von Großbauern und Investoren verdrängt, die industriell produzieren und auch Preisschwankungen aushalten können“, so Bommert. Mittlerweile wird Quinoa auch in den USA, Indien und China angebaut, das führt zu weiterem Preisverfall in den ursprünglichen Anbaugebieten.
Hinzu kommt, dass sich nicht nachhaltige Anbaumethoden immer mehr verbreiten, um den Markt bedienen zu können. Durch die Intensivierung des Anbaus werden zunehmend Düngemitteln eingesetzt, der Wasserverbrauch erhöht sich extrem. „Die Pflanzen werden mit Grundwasser bewässert, und die ansässige Bevölkerung leidet unter Wasserknappheit“, kritisiert Bommert. Der verstärkte Einsatz von Maschinen gehe zudem auf Kosten der Bodenfruchtbarkeit, die Gefahr der Bodenerosion nehme zu, ergänzt Brigitte Frommeyer, Pressereferentin beim Fair-Trade-Unternehmen Gepa. „Durch die Zerstörung von Erosionsschutzstreifen nehmen außerdem die Winderosion und die Schädlinge zu“, so Frommeyer.
Dennoch müssen Verbraucher hierzulande nicht komplett auf Quinoa verzichten, sie sollten aber fair gehandeltes und biozertifizierte Quinoa kaufen. Organisationen wie Gepa oder Transfair fördern den nachhaltigen Anbau des Pseudogetreides. Nach den Kriterien von Fairtrade International müssen 30 Prozent der Fairtradeprämie, die die Produzenten zusätzlich zum Verkaufspreis erhalten, dafür investiert werden. „Durch die Fairtradeprämie konnte unsere bolivianische Partnerorganisation Anapqui Agraringenieure finanzieren, die den Bauern erklären, wie sie möglichst umweltschonend Quinoa anbauen können“, erläutert Frommeyer. Quinoa aus fairem Anbau soll den Produzenten durch einen stabilen Mindestpreis eine langfristige Einkommensquelle sichern. Auch Gemeinschaftsprojekte wie der Bau von Schulen, Wasserprojekte oder die medizinische Versorgung können mit der Fairtrade-Prämie finanziert werden.
Faires Quinoa finden Sie unter:
fairtrade-deutschland.de>Produkte>Quinoa
gepa.de>Produkte>Nudeln, Reis, Quinoa
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