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Gegen Polizeigesetz in NiedersachsenTausende demonstrieren in Hannover

Mehrere tausend Menschen folgten dem Aufrug des #noNPOG-Bündnisses und gingen gegen das geplante Gesetz auf die Straße. Bringen wird das wohl nichts.

Teilnehmer*innen des Bündnisses #noNPOG in der Innenstadt von Hannover Foto: dpa

Hannover epd/dpa | Tausende Demonstrant*innen haben am Sonnabend in der hannoverschen Innenstadt gegen das geplante neue niedersächsische Polizeigesetz protestiert. Während die Polizei von zeitweise 8.300 Teilnehmer*innen sprach, nannte der Veranstalter eine Zahl von etwa 15.000 Demonstrant*innen. Es sei bis auf vereinzelte Pyrotechnik alles friedlich verlaufen, bilanzierte eine Polizeisprecherin. Unter den Einsatzkräften waren auch Konfliktmanager*innen der Polizei aus Schleswig-Holstein.

Zu der Demonstration hatte ein Bündnis von mehr als 120 politischen und gesellschaftlichen Gruppen aufgerufen. Darunter waren Politiker, Gewerkschafter, linke Aktivisten und auch normalerweise rivalisierende Fußballfans. Mit bunten Plakaten, Fahnen und Sprechchören machten die Demonstranten ihre Kritik deutlich.

Die Demonstrant*innen kritisierten Eingriffe in die Freiheits- und Grundrechte der Bürger*innen sowie die starke Ausweitung der Befugnisse der Polizei durch die Gesetzesnovelle. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit klaut!“. Auf Plakaten war unter anderem zu lesen: „Raus aus unseren Chats!“ und „Polizeistaat verhindern!“

Konkret kritisiert wird beispielsweise eine verstärkte Überwachung durch Bild- und Tonaufnahmen bei öffentlichen Veranstaltungen. Zudem könnten Gefährder bis zu 74 Tage in Präventionshaft genommen werden. Auch sogenannte Staatstrojaner zum Überwachen der Telekommunikation und Online-Aktivitäten sollten eingesetzt werden, ohne dass die Durchsuchten das mitbekämen.

Beim Staatstrojaner folge Niedersachsen dem fatalen Trend, immer mehr staatliches Hacken zuzulassen, kritisierte der Chaos Computer Club. „Während man versucht, dem behördlichen Hacking möglichst wenig Hürden aufzuerlegen, werden verfassungsrechtliche Grenzen bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht“, sagte Sprecher Falk Garbsch. „Denn der vom Bundesverfassungsgericht klar und mehrfach betonte Kernbereich der privaten Lebensgestaltung wird nur soweit geschützt, wie der Wunsch nach staatlichem Hacking es eben zulässt.“

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte am Freitag die Demonstration begrüßt. Sie sei ein Zeichen für eine funktionierende Demokratie. Die Kritik sei in Teilen jedoch völlig überzogen, denn die neuen Bestimmungen sollten im wesentlichem die Bekämpfung des Terrors erleichtern. So sei die längere Präventivhaft ausschließlich für Personen gedacht, die des Terrorismus verdächtigt würden. Bisher gilt dafür eine zehntägige Frist.

Die Erneuerung des niedersächsischen Polizeigesetzes gehört zu den zentralen Vorhaben der rot-schwarzen Regierungskoalition. SPD und CDU hatten in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, das Gesetz bis zum Ende des Jahres zu verabschieden. Die Proteste werden daran wohl nichts ändern, denn die Koalitionäre verfügen im Landtag über eine breite Mehrheit. Für November und Dezember sind aber schon weitere Proteste angekündigt.

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3 Kommentare

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  • "Der Staat und besonders die bürgerlichen Parteien werden nicht müde zu behaupten, dass wir in einem sozialen Rechtsstaat leben und sie mit aller Kraft auf Frieden und Durchsetzung der Menschenrechte in aller Welt hinarbeiten. Dafür seien umfassende Überwachung und militärische Ausrüstung der Polizei notwendig. Die Nachrichten über Armut, Wohnungsnot, Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und Flüchtlingselend strafen sie Lügen; diejenigen, die die Lügen anprangern, sind als Staatsfeinde gebrandmarkt, gegen sie werden Staatsschutz und Polizei eingesetzt. Der tiefe Widerspruch zwischen den Behauptungen und der persönlichen Erfahrung erinnert an die Doppelbindungstheorie der Psychiatrie: Widersprüchliche Botschaften bewirken eine Konfusion, sie machen die Betroffenen verrückt. Denn welchem Teil der Botschaft soll ich vertrauen?"



    www.schattenblick....tern/ossi1017.html

  • Alle in diesem Land schreien nach mehr Polizei gegen die Migranten, nun wird die Politik reagieren, aber dermaßen überzogen, das es schon nach einem Ansatz aussieht, einen Kontrollstaat zu etablieren!

    Es ist nicht nötig jemanden 74 Tage festzusetzen, wenn die Ermittlungsbehörden kompetent und präzise Ermitteln würden.



    Die bestehenden Gesetze hätten bei weitem ausgereicht, wenn man die Ausbildung der Beamten verstärkt hätte!

    Dadurch aber würde es keine Erweiterung des Ausspionierens der normalen Bürger geben können, weshalb nun in fast allen Bundesländern die Gunst der Stunde genutzt wird, gegen den Bürger Front zu machen.

    Die Bürger werden immer unzufriedener mit der jetzigen Politik und den in Amt befindlichen Eliten, so dass es da sicher von Vorteil ist bessere Überwachung gegen den unbescholtenen, aber protestbereiten Bürger auffahren zu können.

    Der Bundestag und der Bundesrat werden mit ziemlicher Sicherheit nachziehen und diverse Bundesgesetze denen der Länder anpassen, wodurch wir dann zu einem Überwachungsstaat werde würden!

    Schon jetzt sieht man, wie viel Macht in den Institutionen gebündelt ist, wenn man bedenkt, wie sich der BfV Präsident Maaßen herausnimmt die Deutungshoheit über einen Fall, wie den des Naziaufmarsches in Chemnitz an sich reißt, ohne zu seiner Sicht der Dinge Beweise zu bringen!

    Ministerpräsident Kretschmer behauptet es hätte keine Hetzjagten und keinen Mob gegeben, obwohl jeder der an den Tagen aufmerksam die Nachrichten am TV verfolgte, sehen konnte, wie Nazis hinter Menschen, die nicht deutsch genug aussahen herrannten und nachtraten!

    Auch seine Aussage, eine SPD Delegation, welche von Nazis verfolgt, gejagt und geschlagen wurde, sollte das dem Friedenswillen nicht so ausdrücken wie es war, sondern die Sprache darüber abmildern!!!

    Wie lange will die jetzige Politriege dieses Landes unser Nazi und AFD Problem noch totschweigen, nur um in der Weltöffentlichkeit für die Wirtschaft noch als Lupenreine Demokratie zu erscheinen!!!

  • In Chemnitz waren zu wenig Polizisten.