: Gesund und ökologisch?
Eine aktuelle Studie zeigt: Für eine echte Ernährungswende muss in Berlin noch einiges geschehen
Sommer Food Markt: Noch bis Samstag Soulfood und Maultaschen am Kulturforum. Eintritt frei. Sonderveranstaltungen zur Langen Nacht der Museen am 25.8.
Veganes Sommerfest am Alex: 130 Stände zu veganem Lifestyle. 24. bis 26.8., Eintritt frei.
Von Manfred Ronzheimer
Berlin will offenbar ernst machen mit dem Anspruch, Hauptstadt der Besser-Esser zu werden. Neben Events wie dem Sommer Food Markt an diesem Wochenende wird nicht nur am „House of Food“ weiter gebastelt, das nach dänischem Vorbild hier entstehen soll. Auch zwei breit besetzte Gremien arbeiten an langfristigen Strategien für eine gesündere und ökologischere Ernährung der Berliner. Eine in diesem Monat vom Senat veröffentlichte Studie fasst schon mal den Ist-Zustand in den öffentlichen Kantinen zusammen.
Als eines ihrer Schwerpunktprojekte dieser Legislaturperiode bezeichnet die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz und Justiz in einer Antwort auf eine kleine Anfrage das Thema Ernährung. „Nachhaltig, gesund, regional, saisonal, vielfältig und schmackhaft“, sei die politische Leitlinie. Eine knappe Million Euro an Senatsgeldern steht dafür in den nächsten zwei Jahren zur Verfügung.
Größtes Projekt ist das sogenannte House of Food, für das sich in Berlin jetzt die Bezeichnung „Zentrum für Gemeinschaftsverpflegung“ durchsetzt. Ziel ist wie beim Kopenhagener Pendant den Anteil an Bioessen in Kindertagesstätten, Schulen, Kantinen, Mensen und beim Catering in öffentlichen Einrichtungen bis zum Jahr 2021 deutlich zu erhöhen. Am liebsten ohne Mehrkosten und bei Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.
Dass da noch Luft nach oben ist, zeigt die vom Senat beauftragte Studie des Dortmunder Experten für urbane Ernährungspolitik Philipp Stierand. Beispiel Hochschulen: Täglich essen 35.000 Menschen in den 18 Mensen des Studierendenwerks. Jährlich werden 5,2 Millionen Essen gekocht, davon 760.000 Biogerichte. In den 12 Mensen, die nach Ökoverordnung zertifiziert sind, liegt der Bioanteil bei 14,8 Prozent, zuletzt rückläufig.
Bioanteil unbekannt
Beispiel Gefängnisse: Hier werden täglich 3.600 Essen ausgegeben – zu 75 Prozent vorgefertigt. Der Anteil der Biolebensmittel ist – genau wie bei rund 12.000 täglichen Mahlzeiten in den Charité- und Vivantes-Kliniken – unbekannt. Besonders unübersichtlich ist die Lage bei den Kitas. Von rund 160.000 Verträgen der Träger mit den Eltern sind praktisch alle mit Mittagsverpflegung, die jedoch völlig dezentral organisiert ist.
Was möglich ist, zeigt die Entwicklung an der Schulen: 59 Prozent der 350.000 Schüler an den 780 Berliner Schulen erhalten ein bezuschusstes Mittagessen. Die Bezirksämter schließen dafür Verträge mit Catering-Firmen. 24 Caterer liefern täglich 100.000 Essen in die Schulen. Vertraglich ist ein Biomindestanteil an den Kosten von 15 Prozent Pflicht. Wie eine Analyse der Ausschreibungsunterlagen ergab, liegt der Anteil tatsächlich sogar bei 40 Prozent – auch ein Verdienst der „Vernetzungsstelle Schulverpflegung“, die diesen Bereich in den letzten Jahren organisiert hat.
Die Bilanz der Stierand-Studie lautet: Der Bioanteil in der Gemeinschaftsverpflegung muss noch massiv steigen. „Die Erfahrung des House of Food in Kopenhagen hat gezeigt, dass eine echte Transformation erst ab einem Bioanteil von 50 Prozent stattfindet“, heißt es in der Expertise, die der Senat auch auf seiner Webseite veröffentlicht hat. Sonst würden nur konventionelle Zutaten gegen Biozutaten ausgetauscht statt die Art zu Kochen zu verändern.
Was geschieht nun mit den Erkenntnissen? Die zuständige Senatsverwaltung antwortet auf Anfrage: „Die Studie ist ein wichtiger Grundbaustein zur Entwicklung eines konkreten Konzeptes zum Aufbau eines möglichen Zentrums für Gemeinschaftsverpflegung, bei dem auch die Ergebnisse aus dem laufenden Prozess zur Entwicklung einer Ernährungsstrategie einfließen werden.“ Wann es allerdings mit dem Berliner House of Food wirklich losgehe, dazu könne „zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkrete Auskunft“ gegeben werden.
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