: Die Pflicht zum Zaun, den keiner braucht
Wegen fünf Kilometer Bauzaun ist der Velotörn Bremen abgesagt. Weil sich der Veranstalter nicht rechtzeitig gekümmert hat, sagt die Behörde. Weil die Behörde mit zweierlei Maß misst, sagt der Veranstalter. Die Hochstraßentour des ADFC findet statt – unter welchen Auflagen, soll sich Ende der Woche klären
Von Alina Götz
Velotörn-Geschäftsführer Oliver Gehrking fühlt sich ungerecht behandelt. Er musste die dritte Auflage des Radsportwochenendes durch Bremens Straßen absagen: Mit der neuen Streckenführung über die Hochstraße Breitenweg waren Auflagen verbunden, die organisatorisch und finanziell nicht zu bewältigen gewesen seien.
Das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) hatte den Bau einer Absturzsicherung gefordert und will das dem Veranstalter auch im Februar offiziell mitgeteilt haben, sagt ASV-Sprecher Martin Stellmann. Doch das stimmt nicht, behauptet Gehrking. Nur eine formlose E-Mail, in der die Hochstraße als ungeeignet beschrieben wurde, sei bei ihm eingegangen. „Von einem Bauzaun war nicht die Rede.“ Diesen über die geforderten rund fünf Kilometer aufzustellen, hält er zudem für zu aufwendig und teuer. Zumal Gehrking das bis zehn Wochen vor der Veranstaltung gar nicht gewusst habe und dann rumgereicht worden sei „wie eine heiße Kartoffel“. Vom Amt zur Polizei und wieder zurück.
Stellmann dagegen sagt, dass der Veranstalter erst viel zu spät wieder aufgetaucht sei und dann plötzlich nicht einverstanden gewesen wäre mit der Auflage. „Er hat erwartet, dass wir kurzfristig eine Alternative durchwinken.“ Doch leicht sei so eine Entscheidung für die Behörde rechtlich nicht. Andere Möglichkeiten hätten auf eine Vergleichbarkeit mit dem Zaun geprüft werden müssen – und das dauere nun mal. Im Schadensfall hafte der Genehmigungsgeber, „der Veranstalter ist dann fein raus“. Eine andere Streckenführung wäre für Stellmann eine simple Alternative gewesen. „Das ist nicht das erste Mal, dass eine Strecke für sowas platzt“, erzählt Stellmann. Aber es sei das erste Mal, dass mit dem ASV nicht über Alternativen gesprochen wurde.
Gehrking sieht das ganz anders. Was ihn am meisten genervt habe, ist „dass niemand die Frage beantworten konnte, warum die Bremen Challenge jahrelang ohne zusätzliche Absperrung fahren durfte“. Obwohl das Radrennen laut Stellmann ebenfalls die Auflage bekommen habe, Bauzäune auf der Hochstraße aufzubauen, wurden diese nie aufgestellt, wie Fotos des Events beweisen. Die Auflagen einfach nicht beachten? Das Risiko wäre Gehrking zu groß gewesen. Er habe stattdessen Alternativen auf den Tisch gelegt, so zum Beispiel eine Absperrung mit vereinzelten Zäunen, zwischen denen Flatterband gespannt wird, um die Rennteilnehmenden auf die Gefahr aufmerksam zu machen.
Bisher konnten den Absturz auch die Fahrer*innen der ADFC-Hochstraßentour stets vermeiden. Die seien aber mit viel weniger Tempo unterwegs, entgegnet Stellmann. Wie die Auflagen für die diesjährige Tour aussehen, klärt der ADFC Ende der Woche. Aber mit dem Ordnungsamt, sagt Stellmann. Das sei bei Demonstrationen zuständig. Die Rechtslage sei natürlich dieselbe.
Bernd Rennies, Ex-Polizist und Triathlet, hatte als unabhängiger Radsportexperte am letzten Verhandlungsgespräch der Beteiligten teilgenommen. Er habe den Veranstalter dabei als konstruktiv erlebt. „Meinem Gefühl nach waren alle mit der Lösung, den rechten Fahrstreifen zu sperren, einverstanden.“ Einzig ASV-Leiterin Brigitte Pieper habe auf der Einhaltung der Bauvorschrift beharrt. Dabei hätten alle „gewusst, dass eigentlich keine Gefahr besteht“.
Die Velotörn-Geschichte klingt vielmehr nach nervigem Behörden-Schnickschnack, als nach Uneinigkeit. Dabei würde Stellmann ein weiteres Bremer Radrennen begrüßen. Stattfinden tut es trotzdem nicht. Und niemand weiß so recht, warum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen