piwik no script img

Ein „Skywalk“ für das Wendland

Die historische Dömitzer Eisenbahnbrücke wird Stück für Stück saniert und als Touristenattraktion mit einem Café über der Elbe hergerichtet

Von Reimar Paul

Wer schon mal im Wendland an der Elbe entlanggeradelt ist, kennt das imposante Bauwerk: Die Reste der Dömitzer Eisenbahnbrücke am Westufer des Flusses gelten als bedeutendes Industriedenkmal und eines der Wahrzeichen im Wendland. Ein niederländischer Investor hatte die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges zerstörte Brücke vor acht Jahren ersteigert. Jetzt will er daraus eine Touristenattraktion zu machen.

Die zwischen 1870 und 1873 errichtete Brücke über die Elbe zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen war ein gewaltiges Bauwerk und fast 1.000 Meter lang. An der Westseite stand sie auf 16, an der Ostseite auf vier Pfeilern. Die wurden mit Fachwerkträgern aus genietetem Stahl mit 33,89 Metern Stützweite überbrückt, wie aus alten Bauunterlagen hervorgeht. Am 20. April 1945 wurde die Brücke durch einen Luftangriff der Alliierten zerstört.

Sie wurde nie mehr aufgebaut, blieb ein stummer Zeuge der deutsch-deutschen Teilung. Der Elbe-Radweg, jüngst zum wiederholten Mal als beliebtester Radfernweg Deutschlands gekürt, führt direkt unter dem wuchtigen Brückenkopf mit den beiden Wehrtürmen hindurch.

Der Brückenrest auf dem niedersächsischen Flussufer ist immerhin etwa 550 Meter lang und befand sich lange Zeit im Besitz der Deutschen Bahn. 2010 gab sie das Bauwerk an ein Auktionshaus zur Versteigerung, den Zuschlag erhielt schließlich der Niederländer Toni Bienemann. Der Manager des Unternehmens „Dutchi Motors“, dessen Hobby das Aufkaufen und Herrichten von Industriedenkmälern ist, blätterte 305.000 Euro dafür auf den Auktionstisch.

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg sowie die Gemeinde Langendorf und die Samtgemeinde Elbtalaue, auf deren Gebiet die Brückenreste stehen, äußerten damals die Hoffnung, dass der neue Besitzer das historische Monument einer touristischen Nutzung zuführen würde. Der Kreisverwaltung etwa schwebte vor, den Brückenkopf als Aussichtsplattform zu gestalten und dort ein kleines Café einzurichten.

Lange passierte nichts, inzwischen jedoch herrscht Betrieb. Handwerker haben damit begonnen, die beiden Kopftürme der Brücke zu restaurieren. Rund 12.000 Steine mussten sie dafür neu setzen, mühselig Fuge für Fuge zunächst mit der Fräse öffnen, um dann die Reste der harten Verfüllung mit Hammer und Meißel zu entfernen. Die Veränderungen sollen später mit bloßem Auge kaum zu erkennen sein.

„Die größte Herausforderung ist eigentlich, dass dieses sehr stark geschädigte Bauwerk hinterher nicht viel anders aussehen soll als in seinem historischen Zustand“, sagte der leitende Architekt Ralf Pohlmann. Deshalb nutzten die Maurer so viel altes, bereits vorhandenes Material wie möglich. Natürlich, so Pohlmann, gehe auch einiges zu Bruch oder sei schon zerstört, „dafür haben wir nach einem möglichst originalgetreuen Ersatz gesucht“. Fündig wurden die Baufachleute im brandenburgischen Werder an der Havel. Dort gibt es noch eine Ziegelei mit einem Ringofen, in dem handgeformte Ziegel nach althergebrachten Verfahren hergestellt werden – perfekt für das Projekt an der Elbe.

Anfang 2017 hatte Investor Bienemann von einem Denkmalschutz-Programm der Bundesregierung profitiert und 330.000 Euro für die Sanierung der Brücke erhalten. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bewilligte einen weiten Zuschuss in Höhe von 100.000 Euro. Bienemann selbst kommt für 300.000 Euro auf.

Derzeit werden die Kasematten, also die Gewölbe, im westlichen Brückenkopf saniert. Diese Arbeiten sollen noch im Sommer abgeschlossen werden, sagte Jürgen Meyer, Bürgermeister der Samtgemeinde Elbtalaue, zur taz. Danach wolle man sich dem knapp 600 Meter langen Stahlgerüst zuwenden. Zunächst soll die Brückentrasse wieder begehbar gemacht werden – doch dafür gibt es noch keine Finanzierung. Bienemann hat mit der Brücke große Pläne: Denkbar sei etwa ein „Skywalk“. „Vorne die Elbe sehen, Hochwasser und Eisschollen und im Sommer die Natur und die Vögel beobachten.“

Befürchtungen, er könne das Brückenprojekt wegen ausbleibender Fördermittel eines Tages fallen lassen, dementierte Bienemann: „Für die einen ist die Brücke ein Symbol der Wiedervereinigung, für die anderen ist sie ein kulturhistorisches Baudenkmal und für wieder andere ist sie wichtig, weil sie in einer sehr schönen Landschaft steht, die uns allen am Herzen liegt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen