: Klimaschutz ausgebremst
Der Sommer war heiß. Sollte sich das Klima weiter erwärmen, kann das normal werden, doch Klimaschutz-Projekte werden ausgebremst. Ein Beispiel aus Osnabrück
Von Marie-Luise Braun
Sie wollten ihre Kompetenzen bündeln, um Mobilität nachhaltig zu gestalten: So haben in Osnabrück die Stadt und die Stadtwerke Ende 2016 gemeinsam „Mobile Zukunft“ ins Leben gerufen. Die Mitarbeiter dieser von den Organisatoren „Großprojekt“ genannten Idee sollten kreative Lösungen unterstützen, Diskussionsraum bieten, Akzeptanz fördern, Kooperationspartner finden und binden.
Zunächst besetzt mit zwei halben Stellen von Stadt und Stadtwerken, wurde alsbald eine Kommunikationsexpertin ins Boot geholt. In Vollzeit. Es schien alles auf dem Weg zu sein, um nachhaltige Konzepte zu entwickeln und umweltfreundliche Mobilität zu fördern.
Das ist auch eines von acht strategischen Zielen, die der Rat der Stadt formuliert hat: „Osnabrück ist 2020 auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität, die keine Bevölkerungsgruppen ausschließt und die regionale Verflechtungen im Blick hat, sichtbar vorangekommen.“ Noch zwei Jahre sind also Zeit. Aber die Ideen des Projekts werden nur sehr langsam umgesetzt.
Viel haben sie vorgehabt und angeschoben, wie der Projektflyer zeigt: Dezentrale Mobilitätsstationen sollen Angebote vernetzen, sichere Fahrradabstellanlagen sollen im Zentrum aufgestellt, ein selbstleuchtender Fahrradweg installiert werden und vieles weitere ist zu lesen. „Man muss es den Leuten so bequem und sicher wie möglich machen, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen“, sagt Osnabrücks Stadtbaurat Frank Otte mit Blick auf die Projekte, von denen bislang nur wenige umgesetzt sind. Die anderen seien in der Pipeline.
Otte sagt auch: „Mobilität ist ein hochemotionales Thema. Jeder hört das, was er hören will.“ Deshalb sei Kommunikation sehr wichtig. Dafür dienen die Mobilitätsforen des Projekts Nur: Die Vollzeit-Kommunikatorin hat sich neue berufliche Herausforderungen gesucht. „Ein herber Verlust“, sagt Otte. Dennoch wird die Stelle nicht neu besetzt, bestätigt Stephan Rolfes, Vorstand Mobilität bei den Stadtwerken.
Dabei ist Geld da: Die Stadtwerke haben 2017 einen Gewinn von 10,5 Millionen Euro erzielt. Drei Millionen Euro davon gehen an die Stadt. Aber: „Die Stadt braucht das Geld für andere Zwecke“, sagt Stadtwerke-Vorstand Rolfes und nennt Kitas und Krankenhäuser. Die Stadtwerke hingegen wollten sich auf Energie konzentrieren, wie Rolfes bei Gesprächen gesagt hat, an die er sich jetzt aber nicht mehr zu erinnern vermag. Dabei investieren die Stadtwerke auch in den klimaschädlichen Strom aus Kohle.
Jetzt sagt er, dass er das Projekt gern größer gestalten würde und gibt sich von der Personalsituation nicht angetan: „Wir hangeln uns so durch“, kommentiert er die Kommunikations-Aufgaben, die nun – bei gleichem Stundenkontingent – auf mehrere Schultern verteilt werden. Das erzeugt Reibungsverluste.
Auch anderes bremst „Mobile Zukunft“ ab. Otte nennt die Straßenverkehrsordnung, die pro Auto aufgebaut sei und die anderen Verkehrsteilnehmer nicht gleichberechtigt im Blick habe. Der Fußballverein VfL Osnabrück wollte „Mobile Zukunft“ durch autofreie Spiele unterstützen, wurde aber von örtlichen Autohäusern und VW ausgebremst. Rolfes kommentiert das so: „Es kann ja immer sein, dass Projektpartner nicht mitspielen wollen.“ Die zeitweise Umwandlung eines Parkplatzes in der Innenstadt zu einem Ort mit Aufenthaltsqualität wurde durch Vandalismus ausgebremst.
Die Landespolitik tut sich schwer mit dem Neudenken von Mobilität: „Das Land hat noch keine Anstrengungen gemacht, in die Diskussion einzutreten“, sagt Stadtbaurat Otte, der auch den Grund dafür nennt, dass der selbstleuchtende Fahrradweg nicht umgesetzt wird: Technik und Material der Fahrbahn gehen noch nicht zusammen.
Eine App zur Vernetzung von Pendlern stockt. Manche Projekte sollen auf der Zielgeraden sein, wenige sind umgesetzt. So sind die sicheren Fahrradabstellanlagen in einem Stadtteil aufgestellt worden. Die Nachfrage war größer als das Angebot. Immerhin: Die Vermarktung eines Jobtickets sei gut im Rennen.
Stadtwerke-Vorstand Rolfes fühlt sich von verschiedenen Seiten unterstützt, so sind einige Ratsmitglieder Projektpaten bei Mobile Zukunft. Zugleich wirft er der Politik vor, „dass sie sich schwer damit tut, zehn Jahre voraus zu blicken.“ Genau das ist aber nötig, um Mobilität neu zu denken und nicht im Kleinklein und in wirtschaftlichen Abhängigkeiten stecken zu bleiben.
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