Streit um abgeschobenen Gefährder: Sami A. bleibt vorerst in Tunesien

Tunesien will Sami A. erstmal nicht nach Deutschland zurückschicken. Er bleibt zunächst in einem Gefängnis, die Ermittlungen laufen.

Ein Flugzeug auf dem Gelände des Düsseldorfer Flughafens

Vom Flughafen Düsseldorf startete die Maschine, in der Sami A. nach Tunesien gebracht wurde Foto: dpa

TUNIS taz | Der nach Tunesien abgeschobene und als Gefährder eingeschätzte Sami A. wird nicht sofort nach Deutschland zurückgeschickt. Der taz gegenüber betonte der Sprecher Anti-Terrorbehörde, dass der mutmaßliche ehemalige Leibwächter von Osama Bin Laden erst einmal verhört werde. „Seit Januar diesen Jahres liegen uns Erkenntnisse über seine Aktivitäten in extremistischen Netzwerken vor, zu denen wir weiterhin ermitteln“, sagte Sofiane Sliti.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte die Abschiebung am vergangenen Freitag für „grob rechtswidrig“ erklärt und die Behörden aufgefordert, den Mann zurück nach Deutschland zu holen. In Tunesien sieht man das anders: Tunesiens Justiz sei nun zuständig und habe noch keine Anfrage aus Deutschland zu dem Fall erhalten, bestätigten sowohl Sliti als auch der Sprecher des tunesischen Regierungschefs Youssef Chahed.

Nach Ankunft auf dem Flughafen Enfida wurde Sami A. in das Untersuchungsgefängnis Gurjani gebracht. Dort werden aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer, Terrorverdächtige aus Europa und in Tunis verhaftete Mitglieder von radikalen Netzwerken verhört. 15 Tage dürfen die Behörden die Verdächtigen nach geltendem tunesischen Recht festhalten, bei akutem Verdacht kann ein Staatsanwalt den Zeitraum verlängern.

Nach dem Anschlag auf ein Hotel nahe der tunesischen Stadt Sousse im Jahr 2015, bei dem mehrheitlich britische Touristen ums Leben kamen, wurde Tunesiens Sicherheitsapparat mit europäischer und amerikanischer Hilfe massiv aufgerüstet. Deutsche GSG-9- sowie Polizeibeamte trainierten die tunesischen Sicherheitskräfte, US-Geheimdienste überwachten das Internet und konnten dadurch mehrere Anschläge verhindern.

Extremistische Netzwerke

Die anhaltende Wirtschaftskrise nach der Revolution von 2011 hat junge Männer vor allem aus dem Süden Tunesiens in die Arme extremistischer Netzwerke getrieben. Diese Gruppen suchen Kämpfer für Einsätze in Syrien und Libyen.

Nach den Erfolgen der Armee Bashar Assads in Syrien und dem Verlust der Hochburgen des so genannten Islamischen Staates kehren nun viele Tunesier zurück. Junge Männer, die über Istanbul einreisen, gelten als pauschal verdächtig und werden in Gurjani oder der Polizeikaserne Boushusha in Bardo auf Zugehörigkeit zu einem Terrornetzwerk überprüft. Ein vor drei Wochen aus Deutschland abgeschobener Gefährder ist nach zwei Wochen in Polizeigewahrsam nun auf freiem Fuß. Er sei nicht gefoltert worden, sei aber bei den Verhören an den Händen gefesselt worden, berichtet der 35-Jährige der taz und beklagt, weiterhin von der Polizei verfolgt und bedroht zu werden. Er wollte anonym bleiben. Von Fällen von Folter habe er gehört. Amnesty international dokumentierte im Februar diesen Jahres 80 Fälle von Misshandungen und Folter in tunesischen Gefängnissen und forderte die Behörden auf, eine von der EU geforderte Reform des Justiz- und Polizeiapparates einzuleiten.

Der Aktivist Houssem Rabhi von der NGO „Organisation Mondiale contre la torture“ (OMCT) betreut in Sidi Bousid Opfer von Polizeigewalt. „Den meisten meiner Mandanten wird vorgeworfen, dass sie mit Terroristen zusammenarbeiten würden“, sagt er. Schläge auf Polizeistationen während des Verhörs seien in den Provinzen noch alltäglich. Doch mittlerweile gebe es in Tunesien Nichtregierungsorganisationen und Rechtsanwälte, die gegen die Polizei-Willkür im Namen des „Kriegs gegen den Terror“ vorgehen.

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