piwik no script img

Für Klagenkeine Adresse

CDU und SPD in Niedersachsen wollen die Beschwerdestelle gegen Polizeiübergriffe in ein Qualitäts-management für die gesamte Landesverwaltung umbauen. Ein besonderes Misstrauen der Polizei gegenüber sei unnötig

Von Gernot Knödler

Die „Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und Polizei“ in Niedersachsen hat erfolgreich gearbeitet – trotzdem soll sie abgewickelt werden. Angesichts ihrer vierten Jahresbilanz hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Beschwerdestelle für „in dieser Form überflüssig“ erklärt. Die rot-schwarze Landesregierung müsse sie endlich wie versprochen in ein Qualitätsmanagement für die gesamte Landesverwaltung umwandeln.

Die Beschwerdestelle war zum 1. Juli 2014 von der damaligen rot-grünen Landesregierung als Stabsstelle des Innenministeriums eingerichtet worden. Sie ist zuständig für das Ideen- und Beschwerdemanagement. Auf Drängen der Grünen sei damals die Polizei in den Namen der Beschwerdestelle aufgenommen worden, sagt der innenpolitische Sprecher des SPD-Fraktion, Ulrich Watermann.

Die Grünen sind es auch, die befürchten, dass der Beschwerdestelle durch die Umfirmierung und Ausweitung die Zähne gezogen werden könnten. Die Polizei sei ein besonderer Bereich. „Sie übt das Gewaltmonopol des Staates aus“, sagt der grüne Innenpolitiker Belit Onay. Für eine demokratische Polizei sei es zudem wichtig, dass sie transparent arbeite. „Deshalb ist diese Beschwerdestelle sehr wichtig.“

Die Zahlen der Jahresbilanz rechtfertigten keine Beschwerdestelle, die die Polizei ausdrücklich benennt, hält die GdP dagegen. Es sei „nicht zu akzeptieren, dass eine einzelne Berufsgruppe des öffentlichen Dienstes herausgestellt wird“, sagt der Landesvorsitzende Dietmar Schilff. Zumal die jüngste Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes ergeben habe, „dass 90 Prozent der Befragten der Polizei als einer rechtsstaatlichen Institution vertrauen“.

Es sei falsch, beim Beschwerdemanagement die Polizei hervorzuheben, sagt auch der SPD-Innnenpolitiker Watermann. „Damit suggeriere ich, dass ich einer bestimmten Gruppe besonders misstraue.“ Bei der besonders großen Zahl an Bürgerkontakten sei auch die Wahrscheinlichkeit, das mal etwas nicht gut funktioniere, am größten. Zugleich zeige ihm seine Erfahrung, dass auch andere Politikfelder ein Beschwerdemanagement nötig hätten.

„Ich könnte Ihnen aus meiner Wahlkreisarbeit sagen, wo Menschen wirklich drangsaliert werden“, sagt Watermann und nennt das Beispiel eine langzeiterkrankten Frau, die täglich von ihrer Krankenkasse angerufen werde, um festzustellen, ob sie wirklich noch krank sei. Watermann spricht sich dafür aus, das Petitionsrecht auszuweiten und er könnte sich vorstellen, einen Bürgerbeauftragten nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz einzuführen. Der würde es Bürgern ersparen, sich in den Dschungel einer rechtlichen Auseinandersetzung zu begeben.

Eingeführte Institution

689 Hinweisen ist die Beschwerdestelle Bürger und Polizei 2017 nachgegangen – acht Prozent mehr als 2016. 61 Prozent der Hinweise galten der Polizei, elf Prozent dem Innenministerium, zwei Prozent Flüchtlingsangelegenheiten.

Polizei: Von den 418 Hinweisen bezogen sich 269 auf das Verhalten von Beamten, acht waren interne Beschwerden und 15 Mal wurde die Polizei gelobt. 69 Hinweise waren fachlicher Natur.

Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurden bei zwölf Beschwerden eingeleitet, sechs davon wurden eingestellt, sechs sind noch offen.

Der CDU-Abgeordnete und ehemalige Innenminister Uwe Schünemann hält es ebenfalls für unsinnig, die Polizei unter Generalverdacht zu stellen. Die Beamten seien hervorragend ausgebildet und in Niedersachsen alle im gehobenen oder höheren Dienst – „das heißt, alle haben mindestens den Bachelor“, sagt Schünemann, und damit ein spezielles Training zur Deeskalation. Jeder Einsatz werde bewertet.

Eine besondere Beschwerdestelle für die Polizei sei daher völlig überflüssig. Er sei schon in seiner Zeit als Innenminister für die Verwaltungsmodernisierung zuständig gewesen. Zeitgemäß sei ein Qualitätsmanagement, das aber für die gesamte Verwaltung eingeführt werden müsse. Innenminister Boris Pistorius (SPD) sei gefordert, dazu einen Vorschlag zu unterbreiten.

Die Grünen finden, das reiche nicht. Sie prognostizieren, dass eine Beschwerdestelle mit besonderem Blick auf die Polizei noch viel wichtiger werde. „Wir diskutieren im Landtag gerade das Polizeigesetz“, sagt Onay. Die Polizei werde als ganz anderer Akteur auftreten, rechtlich und personell aufrüsten. „Solchen Hardliner-Maßnahmen müssen doch Instrumente der Kontrolle entgegengestellt werden“, findet Onay.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen