Kommentar Deutsch-türkischer Handel: Ohrfeige für die Opposition
Die Bundesregierung hebt ihre Begrenzung von Bürgschaften für Lieferungen in die Türkei auf. Das ist ein fatales Zeichen für den dortigen Umbau.
E s ist die falsche Entscheidung zum falschen Zeitpunkt: Die deutsche Regierung geht auf Entspannungskurs zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Sie entschärft die Reisehinweise für die Türkei und hebt ihre Begrenzung von Bürgschaften für Lieferungen an den Bosporus auf. Damit nimmt sie ihren ohnehin zu geringen Druck auf Erdoğan ganz weg.
Handelspartner aus der EU stützen Erdoğan mit ihren Geschäften, denn wirtschaftliche Stabilität ist für seinen Machterhalt wichtig. Das mag ManagerInnen egal sein. Nicht egal ist ihnen aber die Gefahr, dass türkische GeschäftspartnerInnen pleitegehen und ihre Rechnungen nicht zahlen. In dieser Lage übernimmt die Bundesregierung wieder mehr sogenannte Hermes-Bürgschaften, statt sie ganz einzustellen. Der deutsche Staat spannt für Unternehmen einen größeren Schutzschirm über Türkeigeschäfte auf. Das wird den Handel ankurbeln und Erdoğan stärken. Die Botschaft an den Präsidenten: Er hat freie Bahn. Das ist eine Ohrfeige für die Opposition.
Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner der Türkei. Die Bundesregierung hat ein enormes wirtschaftliches Druckpotenzial – gerade jetzt. Der türkischen Wirtschaft geht es schlecht. Erdoğan verunsichert Unternehmen und schwächt die Kaufkraft. Die türkische Lira hat stark an Wert verloren. Importierte Waren werden teurer. Unternehmen geraten in Schwierigkeiten, wenn sie Lieferungen oder Kredite in Euro oder Dollar bedienen müssen – und das müssen viele.
Statt dem Autokraten zu helfen, sollte die Bundesregierung ihre Möglichkeiten nutzen, um ihm beim weiteren Umbau der Türkei in eine Diktatur in den Arm zu fallen. Der formal aufgehobene Ausnahmezustand wird in Form neuer „Anti-Terror-Gesetze“ und durch das neue Präsidialsystem institutionalisiert. Die Gefängnisse sind voll von Oppositionellen, die Presse ist längst nicht mehr frei. Rechtsstaat und Demokratie verschwinden täglich mehr. Dass die Bundesregierung das auch noch belohnt, ist fatal.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?