„Lifeline“ darf anlegen

Das Rettungsschiff mit 234 Geflüchteten kann jetzt einen Hafen in Malta ansteuern. Mehrere Bundesländer wollten Flüchtlinge aufnehmen. Seehofer habe dies blockiert

Die Situation an Bord der „Lifeline“ wurde zuletzt immer schlimmer Foto: Felix Weiss/Mission Lifeline via ap

Von Erik Peter

Das seit Tagen auf dem Mittelmeer wartende Seenotrettungsschiff „Lifeline“ wurde am Mittwochabend auf Malta erwartet. Ministerpräsident Joseph Muscat hatte am Mittag die Erlaubnis erteilt einen Hafen anzulaufen. Die mehr als 230 Flüchtlinge an Bord werden auf EU-Staaten verteilt, sagte Muscat.

Bereits am Dienstag hatte sich Malta prinzipiell bereit erklärt, das Schiff anlegen zu lassen. Weil eine europäische Einigung über die Verteilung der Flüchtlinge aber noch ausstand, ließ der Inselstaat die „Lifeline“ weiter warten. Dabei hatten bereits Italien, Frankreich, Portugal sowie die Bundesländer Berlin und Schleswig-Holstein ihre Bereitschaft signalisiert, einige der Flüchtlinge aufzunehmen.

„Es gibt seit mindestens zwei Tagen einen europäisch ausgehandelten Verteilungsdeal“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin am Mittwoch der taz. Sarrazin war am Wochenende selbst auf der „Lifeline“. Ihm zufolge hatte zwar das Auswärtige Amt seine Zustimmungsbereitschaft zu der europäischen Lösung signalisiert, doch das federführende Innenministerium Horst Seehofers (CSU) habe die Umsetzung blockiert.

Einer Aufnahme der Menschen durch die Kommunen muss die Bundesregierung nach dem Aufenthaltsgesetz zustimmen. Demnach kann Ausländern aus „völkerrechtlichen oder humanitären Gründen“ eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

Am Mittwoch verständigte sich die Bundesregierung auf ihr Vorgehen. In einer nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestages nannte Seehofer Bedingungen für eine mögliche Aufnahme der Flüchtlinge. Eine Voraussetzung sei, dass das Schiff festgesetzt werde, sagte er. Zwischen Libyen und Südeuropa dürfe es keinen „Shuttle“ geben. Außerdem müsse die deutsche Crew zur Rechenschaft gezogen werden. „Wir müssen verhindern, dass es zu einem Präzedenzfall wird.“ Das Auswärtige Amt solle sich um die Details kümmern. Muscat kündigte an, Seehofers Wunsch zu entsprechen: „Dieses Schiff war staatenlos, es wird festgesetzt.“ Auch werde gegen die Besatzung ermittelt.

Die Hilfsorganisation wies die Vorwürfe zurück. Die „Lifeline“ habe sich lediglich der Anweisung widersetzt, die geretteten Flüchtlinge in Tripolis der „sogenannten libyschen Küstenwache“ zu übergeben, erklärte Mission Lifeline in einer Stellungnahme. Die Organisation verweist auf den Grundsatz der Nichtzurückweisung in der Genfer Flüchtlingskonvention.

Der Druck auf Seehofer war bis zu der Entscheidung am Mittwochmittag gewachsen. Schon am Dienstag hatten Berlin und Schleswig-Holstein den Anfang gemacht, der europäischen Abschottungspolitik zu widersprechen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) forderte die Bundesregierung auf, die „humanitäre Katastrophe“ zu beenden. Aus dem Kieler Innenministerium hieß es auf taz-Anfrage, Schleswig-Holstein sei bereit, könne aufgrund der aktuellen Rechtslage aber nicht alleine entscheiden.

Am Mittwoch äußerte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) seine Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen. Auf Twitter schrieb er:„Das Land Niedersachsen erklärt sich bereit, eine begrenzte Zahl der Passagiere des Rettungsschiffs ‚Lifeline‘ aufzunehmen.“ Auch der Brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der einer rot-roten Koalition vorsteht, kündigte die Bereitschaft seines Bundeslandes an. „Brandenburg hat dazu die Kapazitäten und die Möglichkeiten. Allerdings muss der Bundesinnenminister die rechtlichen Voraussetzungen schaffen“, so Woidke gegenüber dem RBB.

Mit Esther Geißlinger, Andrea Schapen und dpa