piwik no script img

Die Linse erwacht

Das Schöneberger Areal südlich der Ringbahn ist heute ein urbaner Nicht-Ort.Das wird sich bald ändern: Unter anderem sollen hier über 1.700 Wohnungen entstehen

Von Uwe Rada

Wer auf dem obersten Deck des Parkhauses am Bahnhof Südkreuz steht, blickt nicht nur auf den Schöneberger Gasometer im Westen, sondern auch auf das Gelände dazwischen. „Schöneberger Linse“ heißt es, benannt nach der Gestalt des Areals zwischen Sachsendamm und Ringbahn-Trasse. Nun aber soll das ehemals vor allem gewerblich genutzte Areal aus seinem Dornröschenschlaf erwachen.

Bereits im April hatte der Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann (Grüne), zu einer Informationsveranstaltung geladen. Im Rahmen des Tages der Architektur am vergangenen Wochenende führte Ulrich Schop etwa 40 Interessierte über das Gelände. Schop und sein Büro „Roedig Schop Architekten“ sind seit 2006 Gebietsbeauftragte des Bezirks für den Stadtumbau „Schöneberger Süden/Südkreuz“. „Die Entwicklung des Gebiets begann im Norden, nun aber konzentrieren wir uns auf das Areal zwischen den Bahnhöfen Südkreuz und Schöneberg“, erklärte Schop.

Neben der Sanierung der Teske-Schule, die nach ihrer Nutzung als Flüchtlingsunterkunft wieder als Schulstandort gebraucht wird (siehe Seite 21), sollen vor allem Wohnungen und Büros das künftige Quartier bestimmen. Größter Investor für den Wohnungsbau ist der US-Konzern Hines, der östlich der Gotenstraße und nördlich des Tempelhofer Wegs den Bau von 660 Wohnungen plant, davon ein Teil im sozialen Wohnungsbau. „Es wird dort auch soziale Einrichtungen geben“, erklärt Architekt und Stadtplaner Schop.

Weitere 71 Wohnungen baut die Bonava zwischen Tempelhofer Weg und Sachsendamm. Mit dem Baubeginn ist noch dieses Jahr zu rechnen. Insgesamt sollen auf der Schöneberger Linse 1.740 Wohnungen entstehen. „Städtebaulich ist der Tempelhofer Weg ein Mischgebiet, in dem vor allem Wohnungen gebaut werden können“, erklärt Schop. Der Bau von Büros konzentriert sich vor allem am Sachsendamm und am Bahnhof Südkreuz.

Zeichen des städtebaulichen Aufbruchs soll ein 19-geschossiges Hochhaus werden

Wenn Ende 2020 die Betriebsgenehmigung für den BSR-Recyclinghof ausläuft, können auch in unmittelbarer Nachbarschaft des Bahnhofs Südkreuz die Bagger rollen. „Die BSR wird hier einen der besten und markantesten Standorte von ganz Berlin entwickeln“, erklärte Baustadtrat Oltmann im April der RRB- „Abendschau“. Weithin sichtbares Zeichen des städtebaulichen Aufbruchs soll dann ein neunzehngeschossiges Hochhaus werden. Auch die BSR-Zentrale soll hier unterkommen. Eine weitere Konzernzentrale plant Vattenfall unmittelbar am Hildegard-Knef-Platz. Das Holz-Beton-Hybridgebäude mit einer Fläche von 29.000 Quadratmetern soll bereits Ende 2020 fertig sein.

Viel Platz also gibt es im Schöneberger Süden für Konzerne und private Wohnungsinvestoren. Demgegenüber nimmt sich das Baufeld 2/3, über das Ulrich Schop am Ende seiner Tour führt, eher bescheiden aus. In unmittelbarer Nachbarschaft zur landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, die zwischen Tempelhofer Weg und Sachsendamm rund 200 Wohnungen bauen will, die Hälfte davon im sozialen Wohnungsbau, gibt es auf diesem Block auch zwei Grundstücke für Baugruppen. „Vier Grundstücke wurden hier im Konzeptverfahren vergeben“, erklärt Schop, „also nicht an den Meistbietenden verkauft, sondern an den mit dem besten Konzept.“ Neben den beiden Baugruppen kommen auch eine Genossenschaft und ein sozialer Träger zum Zug. Allerdings streiten sich auf einem der Baugruppen-Grundstücke die Berliner Schwulenberatung und die Initiative für lesbische Frauen Rad und Tat (RuT). RuT hatte zunächst den Zuschlag für das Grundstück erhalten, wogegen aber die Schwulenberatung geklagt hat.

Wenig wird dagegen im Block östlich der Teskeschule zwischen dem Tempelhofer Weg und der Ringbahn passieren. Dort bestimmen Autohändler das Geschehen – und das wird auch so bleiben. Die privaten Eigentümer wollen das Gelände nicht verkaufen, erklärt Stadtplaner Schop. Ein Stück Schöneberger Süden bleibt also, wie er ist, während rundherum ein neues Stück Berlin entsteht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen