piwik no script img

Bisher wenig Anträge

Seit einem Jahr gilt das Gesetz zur Rehabilitierung verurteilter Homosexueller

Ein Jahr nach Verabschiedung des Gesetzes zur Rehabilitierung Homosexueller sind in Berlin bisher nur wenige Anträge gestellt worden. Laut Senatsjustizverwaltung gingen bei der Berliner Staatsanwaltschaft bisher erst zwölf Anträge auf Erteilung einer Rehabilitierungsbescheinigung ein. Ein Antrag habe zwei Verurteilungen betroffen. Ein Vorgang sei an die Staatsanwaltschaft Rostock und ein weiterer an die in Bochum zur Bearbeitung abgegeben worden.

Für das Entschädigungsverfahren selbst ist das Bundesamt für Justiz zuständig, das von bisher 14 Anträgen aus Berlin spricht. Bundesweit wurden dort bisher 99 Anträge gestellt. Die meisten davon kamen aus Nordrhein-Westfalen und Bayern (jeweils 18); Berlin liegt bezüglich der Antragszahl (14) auf dem dritten Platz. Bundesweit wurden nach Angaben des Bundesamtes bisher 333.000 Euro an Entschädigungszahlungen geleistet.

Acht Entschädigungsfälle

Wie der Sprecher der Berliner Senatsjustizverwaltung, Sebastian Brux, sagte, wurde von den in Berlin verbliebenen zehn Anträgen auf Rehabilitierung über neun entschieden. In einem Fall stehe eine Glaubhaftmachung der Verurteilung noch aus. In acht der neun beschiedenen Vorgänge seien Rehabilitierungsbescheinigungen erteilt worden, in einem Fall sei dies abgelehnt worden. Hier sei auch auf wiederholte Nachfrage keine Glaubhaftmachung erfolgt.

Am 22. Juni 2017 hatte der Bundestag das Gesetz zur Rehabilitierung Homosexueller verabschiedet; einige Tage später auch der Bundesrat. In Kraft trat das Gesetz zum 17. Juli 2017. Demnach können Homosexuelle, die nach 1945 wegen einvernehmlichem Sex verurteilt wurden, rehabilitiert werden. Der Bundestag hatte beschlossen, dass die ergangenen Urteile aufzuheben und die Betroffenen zu entschädigen sind. Der frühere Paragraf 175 im Strafgesetzbuch, der in der Kaiserzeit eingeführt wurde und im Nationalsozialismus die Grundlage für die Verfolgung und Ermordung Homosexueller war, galt auch in der Bundesrepublik und DDR weiter fort.

Bis zu 5.000 Anträge erwartet

Nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle wurden in der Bundesrepublik bis 1969 rund 50.000 Männer wegen ihrer Sexualität verurteilt. Dann wurde der Paragraf entschärft, aber erst 1994 komplett abgeschafft. Die Bundesregierung ging davon aus, dass maximal 5.000 Homosexuelle, vor allem schwule Männer, von der Neuregelung profitieren. Sie erhalten eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro, wenn das Urteil aufgehoben wird. Haftstrafen werden mit 1.500 Euro pro Jahr entschädigt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte Homosexuelle Anfang Juni für erlittenes staatliches Unrecht um Vergebung gebeten. Bei einem Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Denkmals für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle sagte er: „Ihr Land hat Sie zu lange warten lassen. Deshalb bitte ich heute um Vergebung – für all das geschehene Leid und Unrecht und für das lange Schweigen, das darauf folgte.“

In Brandenburg ist laut Landesjustizministerium bisher nur ein einziger entsprechender Antrag gestellt worden. Da der Betroffene bereits verstorben sei, wurde die entsprechende Rehabilitierungsbescheinigung auf Antrag der Hinterbliebenen erteilt. (epd)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen