Benno Schirrmeister über die Aufklärung der Bamf-Affäre: Seehofers Stimmungsmache
Mittlerweile gilt schon die Langwierigkeit als stärkstes Gegenargument gegen die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Bamf-Affäre. Das kann nur eines bedeuten: Er wird bald eingerichtet. Zum Glück.
Denn die Sorge, ein solcher Ausschuss verschaffe irgendjemandem eine besondere Bühne, speist sich aus einer professionell deformierten Wahrnehmung des Politbetriebs, nicht aus der Wirklichkeit. Oder könnten Sie auch nur die fünf Untersuchungsausschüsse der vergangenen Legislatur benennen? Ein Untersuchungsausschuss zwingt aber, Indizien, Akten und Statistiken zu prüfen – und eben nicht jeden Aufregungshappen zu schlucken, den Beteiligte in durchschaubarer Absicht der Meute hinwerfen.
Denn wie Horst Seehofers (CSU) Stab Schlagzeilen und Stimmungen steuert, ist schon speziell: Da werden Statistiken von Ländern mit einer einzigen und solchen mit vier Bamf-Außenstellen verglichen, um abweichende Anerkennungsquoten zu skandalisieren. Dabei hängen diese Unterschiede von den Herkunftsländern ab: In Bremen wurden von 2010 bis 2015 fast die Hälfte der Anträge von dem Bürgerkrieg entkommenen Syrer*innen gestellt. In Berlin machen die nur 16,5 Prozent aus, zugleich haben sich dort viele Menschen aus den für sicher erklärten Balkanstaaten gemeldet. Ein Skandal wäre es, wenn beide Außenstellen dieselbe Anerkennungsquote gehabt hätten.
Anderes Beispiel: Seehofers Raunen vom Gefährder, den man bei der Sichtung der 18.000 von der Bremer Bamf-Außenstelle seit 2000 erteilten Bescheide entdeckt hat. Wie dieser Glücksfund gelang, wird nicht kommuniziert. Vielleicht stellt sich ja heraus, dass der Gefährder als Kleinkind mit seinen Eltern eingereist ist, in Bremen aufwuchs, radikalisiert wurde – und 2017 abgeschoben.
Ein Untersuchungsausschuss ist kein Allheilmittel, aber er kann zu der Einsicht verhelfen, dass man Transparenz nicht durch populistische Parolen eines Innenministers erhält. Sondern, indem man diesen dazu verdonnert, korrekte Daten vorzulegen.
inland
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