piwik no script img

Streikverbot für Beamte bleibt

Bundesverfassungsgericht beharrt auf deutschem Sonderweg und folgt nicht dem Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte

Von Christian Rath, Karlsruhe

Beamte dürfen in Deutschland weiterhin nicht streiken. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil und lehnte die Klagen von vier beamteten Lehrern ab, die von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt wurden.

In Deutschland sind drei Viertel der 800.000 Lehrkräfte Beamte. Das heißt: Sie sind unkündbar, haben aber spezielle Treuepflichten und dürfen nicht streiken. Die DGB-Gewerkschaften kritisieren das Streikverbot schon lange. Im konkreten Fall hatten sich vier Lehrer aus NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein an GEW-Warnstreiks beteiligt und mussten deshalb anschließend Bußgelder von bis zu 1.500 Euro bezahlen.

Die GEW machte sich Hoffnung, das Streikverbot kippen zu können, weil der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte 2009 in einem türkischen Fall ein allgemeines Streikverbot für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes für unverhältnismäßig erklärte. Das Streikrecht könne nur ausgeschlossen werden, wenn Beschäftigte staatliche Hoheitsgewalt ausüben, also insbesondere bei Polizei und Militär. In Deutschland wurde das so verstanden, dass beamtete Lehrer künftig das Streikrecht bekommen müssten. 2014 forderte sogar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Gesetzgeber zu einer Korrektur auf. Doch weder der Bund noch eines der Bundesländer reagierte. So musste nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden

Nach Auffassung der Karlsruher Richter gilt das Streikverbot allerdings unverändert fort. Die Einschränkung sei durch die im Grundgesetz erwähnten „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ gerechtfertigt (Artikel 33). Zu diesen Grundsätzen gehöre seit der Weimarer Republik auch das Streikverbot für Beamte.

Die Einschränkung sei vertretbar, da sich auch die Beamten zu Gewerkschaften wie der GEW und Verbänden wie dem Deutschen Beamtenbund zusammenschließen dürfen, so die Richter. Diese Organisationen würden auch angehört, bevor der Gesetzgeber die Arbeitsbedingungen und die Besoldung der Beamten per Gesetz festlege. Außerdem könnten Beamte vor Gericht das Recht auf amtsangemessene Bezahlung einklagen. Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht 2015 entschieden, dass Beamte nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt werden dürfen und dafür konkrete Kriterien genannt. Die Verfassungsrichter wandten sich nun gegen ein „Rosinenpicken“. Man könne nicht gleichzeitig streiken und zugleich angemessene Löhne vor Gericht einklagen.

Die Karlsruher Verfassungsrichter wandten sich gegen ein „Rosinenpicken“

Auch eine Ausnahme für bestimmte Beamtengruppen, die nicht hoheitlich tätig sind, halten die Karlsruher Richter nicht für notwendig. Das Beamtenrecht müsse einheitlich sein. Sonderregeln für „Randbereichsbeamte“ lehnen sie ab.

An das Straßburger Urteil, das alles ins Rollen brachte, fühlt sich das Bundesverfassungsgericht nicht gebunden. Solche Urteile hätten zwar eine „Leit- und Orientierungswirkung“. Diese sei aber schwächer, wenn die Urteile zu einer anderen Rechtsordnung (hier zur Türkei) ergingen. Dabei seien nämlich „nationale Besonderheiten“ wie das historisch gewachsene deutsche Beamtenrecht nicht berücksichtigt. Im übrigen sehe die Europäische Menschenrechtskonvention Ausnahmen nicht nur für Polizisten und Militär vor, sondern auch für die „Staatsverwaltung“ – und dazu gehörten beamtete Lehrer, so das Bundesverfassungsgericht.

Die GEW ist damit natürlich nicht zufrieden und will die deutschen Fälle nun nach Straßburg bringen. (Az.: 2 BvR 1738/12 u. a.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen