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Beef im Karoviertel

Die Besitzerin der „Caro Ecke“ hat ein Interview über antisemitische Vorfälle gegeben. Nun wird ihr im Viertel Rassismus vorgeworfen, aber auch ihre Kritiker werden angegangen

Innenansicht der „Caro Ecke“ (2013): Der Besitzerin wird nun Rassismus vorgeworfen Foto: Miguel Ferraz

Von André Zuschlag

Streit im Karoviertel: Die Besitzerin der israelfreundlichen Kneipe „Caro Ecke“ hat nach einem Interview über Antisemitismus vom benachbarten Plattenladen „Groove City“ Hausverbot erteilt bekommen. Sie hatte dort eine Zunahme von antisemitischen Pöbeleien gegen ihre Kneipe, aber auch im Viertel beklagt. Ihr wird nun allerdings dafür Rassismus vorgeworfen.

Anlass für den Viertel-Streit war ein Interview der Caro-Ecke-Besitzerin mit der Zeit. Die Caro Ecke solidarisiert sich offen mit Israel, hebräische Schriftzeichen und Israel-Flaggen an den Haus- und Kneipenwänden sind für alle Gäste und Vorbeigehende gut sichtbar. In dem Interview schildert sie verschiedene antisemitische Szenen. Etwa, wie ein „mental nicht ganz auf der Höhe“ seiender, arabisch sprechender Mann in der Kneipe rumgepöbelt hatte und sagte: „Ich ficke Israel wie eine Frau!“ Der Mann sei „wahnsinnig hasserfüllt und aggressiv“ gewesen. Andere, beinahe alltägliche Szenen seien „Allahu Akbar“-Rufe im Vorbeigehen.

Antisemitismus im Quartier

Insgesamt, sagt sie im Interview, gebe es vielfältigen Antisemitismus im Viertel: „Ein bis heute tief verwurzelter und nie aufgearbeiteter deutscher Antisemitismus; eine islamische Radikalisierung von Menschen, die aus dem Nahen Osten hierherkommen, und von hier lebenden Türken; und der Antizionismus der Linken.“ Eine antiisraelische Stimmung vor Ort sei spürbar. „Ich habe das Gefühl, solche Sprüche nehmen zu“, sagte sie im Interview.

Wenige Tage nach dem Interview erhielt sie von der Groove-City-Besitzerin Marga Glanz einen Brief, in der ihr Hausverbot für den Plattenladen erteilt wurde: „Habe dein Interview bei ‚Zeit-Online‘ gelesen und lese dort in erster Linie die Worte einer Menschenfeindin und Rassistin“. Ein Foto von dem Brief wiederum veröffentlichte die Angesprochene auf Facebook – damit begann der Streit auch im Internet.

„Wir haben hier in der Nachbarschaft viel über das Interview diskutiert und dann habe ich mich entschlossen, darauf mit dem Brief zu reagieren“, sagt Glanz. Sie wirft der Caro-Ecke-Besitzerin vor, Muslime über einen Kamm zu scheren. „Für mich zeugt das von Rassismus, wenn alle Muslime, so wie es im Interview den Eindruck erweckte, unter Generalverdacht gestellt werden“, sagt Glanz. „Mich hat es in erster Linie gewundert, über welches Viertel hier geredet wurde“, sagt sie weiter. Ihrer Wahrnehmung nach herrsche im Karoviertel eine gute Nachbarschaft, in der die Herkunft keine Rolle spielt. „Nur weil jemand mal ‚Allahu Akbar‘ brüllt, bedeutet das gar nichts“, sagt Glanz. Nachdem das Hausverbotsschreiben auf Facebook an die Öffentlichkeit gelangte, seien die Reaktionen gegenüber der Plattenladen-Besitzerin harsch ausgefallen. „Wir wurden zum Teil richtig angegangen und bepöbelt“, sagt Glanz.

Behandelt wie Abschaum

Hinzu kommt ein auch auf ­Facebook diskutierter Vorfall: Eine Aktivistin von der Initiative „Kids United“, die sich 2015 im Karoviertel für geflüchtete Kinder und Jugendliche gründete, hatte im Viertel Flyer verteilt, auch in der Caro Ecke. „Ich hatte mich und unser Projekt vorgestellt“, sagt Büschra*. „Aber dort wurde ich behandelt, als wäre ich nichts wert, sondern wie Abschaum.“ Der Aufsteller für die Flyer sei ihr aus den Händen gerissen worden. „Vermutlich wurde ich wegen meines Kopftuchs so behandelt“, sagt sie. Einen anderen Grund für das Verhalten könne sie sich nicht erklären.

Während sich die Caro-Ecke-Besitzerin gegenüber der taz nicht weiter äußern wollte, widersprach sie allerdings zumindest der Darstellung der „Kids United“-Aktivistin auf Facebook. „Ich habe ihr freundlich gesagt, dass ich mich vorher erkundigen möchte, was ihr Anliegen ist, und dass ich recherchieren möchte“, hieß es dort.

* Name geändert

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