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Kommentar Deutsche AutoindustrieMehr Mut zur Gestaltung

Heike Holdinghausen
Kommentar von Heike Holdinghausen

Die deutsche Autoindustrie steht vor dem Ende ihres Geschäftsmodells. Die Bundesregierung muss ihr das klar machen.

Alternativen zum Verbrennungsmotor sind gefragt: Berufsverkehr verpestet – wie hier in München – die Innenstädte Foto: dpa

A ch, wär das schön, wenn wir eine Bundesregierung mit Gestaltungsanspruch hätten. Es gäbe so viel zu gestalten gerade, im wichtigen Zukunftsthema Verkehr zum Beispiel. Dort ließen sich Ökologie und Ökonomie aufs Schönste verbinden.

Schon in dreißig Jahren soll einer der größten Emittenten von Treibhausgasen kein Kohlendioxid mehr ausstoßen. Feinstaub und Ruß in den Städten werden von deren Bewohnern weltweit nicht mehr akzeptiert. Von sinkender Lebensqualität in wachsenden Ballungsräumen durch verstopfte Straßen abgesehen. Sich die Massen an privaten Autos in die Zukunft zu denken und sie gedanklich nur mit einem neuen Treibstoff auszustatten – der Ansatz der Mineralölwirtschaft – ist erschreckend kurzsichtig.

Erschreckend nicht nur, weil das die komplexen ökologischen Probleme nicht löst. Sondern auch, weil diese Kurzsichtigkeit uns – nicht morgen, aber übermorgen – auch vor ökonomische Probleme stellt. China, Indien, Großbritannien, Frankreich arbeiten schon jetzt an Verbrennungsmotor-Ausstiegs-Plänen. Die deutsche Autoindustrie – und ihre engeren und weiteren Zulieferer wie Getriebehersteller oder Roboter- und Maschinenbauer – stehen vor dem Ende ihres Geschäftsmodells. Bisher erwecken sie nicht den Eindruck, als hätten sie das verstanden. Natürlich erwartet niemand ausgerechnet von der Mineralölindustrie originelle Konzepte für die Zukunft.

Womit wir wieder am Anfang wären. Denn der Job der Bundesregierung wäre es, die Industrie mit strengen politischen Vorgaben anzutreiben: Dass der deutsche Anlagenbau führend ist, liegt auch an den strengen Emissionsvorschriften aus den 70er Jahren. Und die Recycling-Industrie verkauft ihre Technologien heute nach China, weil die Umweltminister in den 90er Jahren in Deutschland die Müllkippen verboten haben. Die beste Methode, die Industrie fit für morgen zu machen, wären strenge Abgaswerte heute. Dazu fehlt es dieser Regierung an Mut – und eben am Gestaltungsanspruch.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
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3 Kommentare

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  • Da wir in den vergangenen 50 Jahren keine Regierungen mit Gestaltungsanspruch hatten, wüsste ich nicht wo wir so eine herbekommen sollten. Wie es scheint werden wir uns besser auf außerparlamentarischer und überparteilicher Ebene neu sortieren müssen um zukünftigen Regierungen als roter Faden der Orientierung behilflich zu sein.

     

    Voraussetzung ist das wir unsere Ressentiments überwinden anders geht es nicht, also können wir doch jeder Zeit einen "Bundes Bürger Senat" für Umwelt, Sozial, Arbeit, Kultur und Bildung gründen. Bis dahin können wir uns ja schon mal Gedanken machen wie denn unser eigenes Konsumverhalten in Punkto Auto betrachten.

     

    Wir können die Dinge auch mit dem Verkehr weiterentwickeln und z.B. Genossenschaftsmanufakturen für Standard Lasten- und Nutzfahrräder gründen und auf die Ausbeutung der Menschen und der Natur bei der Herstellung in jedem Land verzichten.

  • Die Politik soll politische und gesellschaftliche Aufgaben lösen. Dazu gehört sicher der Umweltschutz und auch die Bedingungen für Arbeitsplätze. Aber dazu gehört nicht, der Autoindustrie klar zu machen, dass deren Geschäftsmodell nicht mehr stimmt. Die sind für ihr Geschäftsmodell schon selbst verantwortlich. Auch der Bezug auf die nationale Gegebenheit greift zu kurz. Der größte Umsatz wird jetzt schon im Ausland gemacht. Wenn die Firmen weiterhin den Umsatz machen wolen, werden die sich den Bedingungen anpassen, selbst wenn die hiesige Politik keine Vorgaben macht. Siehe die Meldung über ElektroLKW von Daimler in den letzten Tagen.

    • @fly:

      Es ist durchaus eine Aufgabe der Regierung, die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft zu schützen. Und wenn die Verantwortlichen der wichtigsten deutschen Schlüsselindustrie nur Geld scheffeln und dabei nicht genug in die Zukunft investieren, ist es auch die Aufgabe der Regierung, ihnen in den fetten A... zu treten. Tut sie das nicht, nimmt der Wohlstand im Land drastisch ab. Mit ungeheuren gesellschaftlichen und politischen Folgen.

       

      Aber ich kann Sie beruhigen. Diese Regierung verwendet ihre ganze Energie darauf, die Bosse der Autoindustrie und ihre Betrügereien zu decken. Da passiert nichts.