Der Weg ins Museum

Arisierung, Raub, Entrechtung – Frankfurter Museen erforschen den Erwerbshintergrund von Objekten ihrer Sammlungen und präsentieren sie in einer Serie von Ausstellungen

Von Rudolf Walther

Unter dem Titel „Gekauft, gesammelt, geraubt? Vom Weg der Dinge ins Museum“ präsentieren vier Frankfurter Museen in einer Kooperation Ausstellungen zur Erwerbsgeschichte von Objekten ihrer Sammlungen. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte stellen die Ausstellungen eine kleine Kriminalgeschichte öffentlicher Sammlungen dar. Denn so ganz ohne Entrechtung im Nationalsozialismus, Raub oder Verbrechen in der Periode des Kolonia­lismus kamen wenige Sammlungen zustande.

Das Kooperationsprojekt der Museen bezieht sich auf zwei Anlässe, wie Jan Gerchow, der Direktor des Historischen Museums, nun ausführte. Vor zwanzig Jahren wurde die Washingtoner Erklärung zur Rückgabe von Raubkunst von 44 Staaten unterzeichnet. Und bereits vor 16 Jahren startete die vom Fritz Bauer Institut und anderen als Wanderausstellung konzipierte Schau „Legalisierter Raub – Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933–1945“.

Sie wurde an bislang 30 Orten gezeigt und gilt als „Katalysator für die Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit“, wie Gottfried Kößler, der stellvertretende Direktor des Fritz Bauer Instituts, sagt. Der hessische Finanzminister Karl Starzacher (SPD) wies „seine“ Finanzämter damals an, ihre Akten aus der Nazizeit ans Hessische Hauptstaatsarchiv abzugeben, damit diese fortan der freien Forschung im Zusammenhang mit Arisierungen und Raub zur Verfügung standen. So konnte schließlich „Legalisierter Raub“ 2004 als Wanderausstellung anlaufen.

Nun ist sie im Frankfurter Historischen Museum angekommen, das sie mit Objekten aus dem eigenen Fundus ergänzte. Zudem wurde die Bevölkerung aufgerufen, dem Museum allfällige Gegenstände, die einst von Vorfahren erworben, erbeutet oder „günstig“ gekauft wurden, zur Verfügung zu stellen. Die Ausstellung präsentiert so nun neun weitere Objekte aus ursprünglich jüdischem Besitz und erzählt sechs biografisch orientierte Geschichten zum Thema „legale Enteignung“.

Die Schau rekonstruiert so eindrucksvoll aus den Akten der Finanzbehörden die Spuren von Verfolgten und Ermordeten. Dabei zeigt sie die kalte Raffinesse einer Behörde, die zum größten Teil nicht aus hundertprozentigen Nazis bestand, aber dem Dienstherrn bei seinen Raubzügen widerstandslos folgte. Vorhandene Ermessensspielräume nutzte die Finanzverwaltung nicht nur nicht, sie wetteiferte sogar oft mit anderen Behörden, um penibel buchstabengetreu und in bürokratischer Perfektion umzusetzen, was der Dienstherr angeordnet hatte.

Wie etwa im Falle der Familie Pappenheim aus Sprendlingen. Deren Haus wurde zunächst auf einen Wert von 12.000 Reichsmark (RM) geschätzt. Sie wollte es für 8.000 RM verkaufen. Um den Preis zu drücken, lieferten sich Finanzverwaltung und Ortsbürgermeister einen regelrechten Wettkampf. So lange, bis er endlich unter der Vermögensabgabe lag, die Juden zu zahlen hatten, wenn sie ausreisen wollten. Das gelang der Familie Pappenheim dann nicht mehr.

Die zweite zum Projekt gehörende Ausstellung im Jüdischen Museum trägt den Titel „Geraubt, zerstört, verstreut“. Sie hat direkt mit der Geschichte eines Museums zu tun, das 1922 als „Museum jüdischer Altertümer“ gegründet wurde. Es verfügte bis 1933 über eine bedeutende Sammlung von Zeremo­nialobjekten ebenso wie auch das Historische Museum.

Beide Institutionen kooperierten vor 1933 miteinander. In der Reichspo­grom­nacht von 1938 wurden Bestände beider Museen von der Gestapo beschlagnahmt und oft am gleichen Ort eingelagert. Im Unterschied zur Jüdischen Gemeinde gelang es Mitarbeitern des früheren Historischen Museums, einige Objekte nach 1945 zurückzuerhalten. Bei dieser Gelegenheit entwendeten sie zwei goldene Becher aus dem Besitz der Jüdischen Gemeinde. Nach 1945 beschlagnahmten amerikanische Behörden den den Juden geraubten Besitz aus den Gestapo-Lagern. Einen Teil der Objekte erhielt 1950 die Frankfurter Westendsynagoge, der größere ging an jüdische Museen in New York und Jerusalem.

Der Begriff „Provenienz“ hat für das Jüdische Museum eine andere Bedeutung als für die anderen Sammlungen. Haben diese die „Daueraufgabe“ (Jan Ger­chow), nach der Herkunft der Objekte in ihren Museumsbeständen zu fragen, so stellt sich dem Jüdischen Museum die brutal einfache Frage: Was blieb übrig? Beschämend wenig, und das oft pervertiert. In der Ausstellung ist auch ein christlich erscheinendes Buch zu sehen, eingebunden in sehr kostbares Pergament. Es enthält aber eine Schrift auf Hebräisch. Ein frommer Buchbinder muss es bei einem Pogrom erbeutet haben.

Für alle, die sich gerne als „Kerndeutsche“ begreifen: Ein Stück Heimatgeschichte wäre zu besichtigen.

Bis 14.10. in Frankfurt am Main