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Angst vor der Minimallösung im Klimaschutz

Die UN-Konferenz in Bonn vertagt viele Problemlösungen. Begeisterung für „Talanoa-Dialog“ von Städten, Unternehmen, Zivilgesellschaft

Aus Bonn Bernhard Pötter

Ein paar kleine Probleme gelöst, den Zeitplan ausgehebelt und einen riesigen Berg Arbeit auf die nächsten Monate vertagt – das ist das Ergebnis der UN-Zwischenkonferenz zum Klimaschutz, die am Donnerstagabend in Bonn zu Ende ging. Die Leiterin des UN-Klimasekretariats UNFCCC, Patri­cia Espinosa, sprach von „einigem Fortschritt“, es müsse aber schneller gehen, sich auf die technischen Richtlinien zu ei­nigen. Kritiker wie Lutz Weischer von der Entwicklungsorganisation Germanwatch dagegen befürchten, dass bei der Konferenz COP24 im polnischen Katowice eine „Eingung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner“ droht.

Im Dezember müssen sich die knapp 200 UN-Staaten bei der COP24 darauf einigen, wie der globale Klimaschutz demnächst funktionieren soll. Im Kleingedruckten des Pariser Abkommens soll konkret geregelt werden, wann wo wer CO2 einsparen muss, wie das nachzuweisen ist und woher und wohin Geld dafür fließt.

An vielen dieser Details blieben die Delegierten in Bonn hängen. Statt eines konkreten Verhandlungstextes, den vor allem die EU als Ergebnis erwartet hatte, gibt es nun mehrere Hundert Seiten Vorschläge. Aus Zeitnot beschlossen die Staaten, sich Anfang September zu einer Ex­tra­kon­ferenz in Bangkok zu treffen. Nun müsse die Politik Vorgaben machen, hieß es: Beim „Petersberger Klimadialog“ der Bundesregierung am 17. Juni oder bei einem Treffen der EU mit Kanada und China könne es politische Signale geben, um die Probleme zu lösen.

„Was die Delegierten hier machen, ist vielleicht noch schwieriger, als das Pariser Abkommen zu verhandeln“, sagte der US-Amerikaner Elliot Diringer vom Thinktank Center for Climate and Energy Solutions. Dass die USA in dem Prozess kaum noch engagiert sind, hat ernste Konsequenzen. Bei vielen Großkonflikten sind die USA zentral wichtig. Etwa bei der Frage: Müssen alle Staaten ihre Klimapläne nach den gleichen Regeln aufstellen, oder gibt es bei dieser Transparenz einen Rabatt für die armen Länder?

Die Entwicklungsländer wollen außerdem einen klaren Zeitplan, wie sie die versprochenen 100 Milliarden Dollar ab 2020 erhalten. Je nach Rechenweise sind davon etwa 80 Milliarden gesichert. „Die Finanzen sind der Schlüssel zum Erfolg“, sagt der ägyptische Delegierte Gebru Jember Endalew, der für die Gruppe der 48 ärmsten Länder (LDC) spricht. Auch hier fehlen die Dollars aus Washington. Aber eine Festschreibung von künftigen Geldflüssen sei nicht möglich, heißt es auch von der deutschen Delegation, weil die Parlamente darüber zu entscheiden hätten.

Die Stimmung in Bonn war angespannt. Das UN-Sekretariat selbst leidet unter akuter Geldnot: Nur 70 von 192 Ländern haben ihre Beiträge bezahlt, es fehlen 16 Millionen Euro im Budget. Erfahrene Verhandler zeigten sich unbeeindruckt: Probleme mit einander widerstrebenden Ansichten sind sie gewohnt. Aber Diplomaten, Experten und Umweltgruppen befürchten faule Kompromisse zulasten des Klimaschutzes: weniger Verpflichtungen zur Transparenz für Schwellenländer wie China und Indien – dafür aber auch nur vage Finanzierungszusagen durch die reichen Staaten. „Das Risiko einer gegenseitigen Blockade bei der COP ist groß“, sagte Tracy Caty von der Hilfsorganisation Oxfam.

Gute Stimmung verbreitete in Bonn der „Talanoa-Dia­log“ außerhalb des offiziellen Programms. Die Präsidentschaft aus Fidschi hatte zum „Geschichtenerzählen“ im kleinen Kreis eingeladen. Dort wunderte sich etwa Anirban Ghosh vom indischen Mischkonzern Mahindra, „warum viele das Geschäftsmodell Klimaschutz nicht sehen“ – wo seine Firma doch Renditen von über 20 Prozent mit Effizienz und grüner Energie einfahre.

Die Umweltministerin von Mexico City, Tanya Müller García, forderte selbstbewusst, die Megastädte der Welt sollten Zugang zur internationalen Klimafinanzierung bekommen. Die „reale Welt“ werde beim Klimaschutz schneller sein als der UN-Prozess, hofften viele in Bonn.

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