: Das Gedicht vor Gericht
Urteil zu Böhmermanns Erdoğan-Satire steht an
Von Katharina Schipkowski
Darf der Fernsehmoderator Jan Böhmermann den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan einen Präsidenten mit kleinem Schwanz nennen? Über diese Frage und darüber, was Satire im Fall von Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ sonst noch darf oder nicht darf, entscheidet am Dienstag das Hamburger Oberlandesgericht.
Im Mai 2016 hatte das Landgericht auf Antrag Erdoğans eine einstweilige Verfügung erlassen, die Böhmermann verbietet, einige Passagen des Gedichts zu rezitieren. Gegen das Urteil gingen beide Seiten in Berufung – Böhmermann wollte das Teilverbot aufheben lassen, Erdoğan ein komplettes Verbot erwirken.
Bei der Entscheidung geht es um eine Abwägung zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite. In der Begründung des Teilverbots argumentierte das Gericht, als Staatsoberhaupt müsse sich Erdoğan besonders heftige Kritik gefallen lassen, da die Meinungsfreiheit aus dem besonderen Bedürfnis der Machtkritik erwachsen sei.
Die Meinungsfreiheit stoße aber an ihre Grenzen, wo es sich um reine Schmähung handele oder die Menschenwürde angetastet werde. Die verbotenen Passagen sind die, in denen Böhmermann Erdoğans vermeintliches Sexualleben beschreibt und ihm dabei Vorlieben für Kinderpornos und Sex mit Tieren unterstellt und rassistische Klischees gegenüber Türken bedient. Also was genau ist jetzt verboten und was ist erlaubt, bis das Gericht am Dienstag die Berufung entscheidet?
Es geht: „Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdoğan der Präsident.
Er ist der Mann der Mädchen schlägt, und dabei Gummimasken trägt.
… und Minderheiten unterdrücken, Kurden treten, Christen hauen, …“
Die übrigen sieben Strophen sind komplett verboten – bis auf Weiteres.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen