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Liebe und Fetisch bei Karl

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat zum 200. Geburtstag von Karl Marx einen fünftägigen Kongress namens „Marx 200“ veranstaltet. Das Publikum verlangte nach harter Kost

Von Andreas Hartmann

Der 200. Geburtstag von Karl Marx ist nun auch schon wieder Geschichte. Seiner Geburtsstadt Trier hat er eine viel bestaunte Statue des Philosophen eingebracht, und in den Feuilletons wurde in der Geburtstagswoche so ziemlich jeder Aspekt rund um den Kommunismus-Vordenker nochmals durchgekaut.

Richtig in die Vollen gelangt hat auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die in Berlin gleich einen fünftägigen Kongress unter dem Titel „Marx 200“ abhielt und dabei auch noch einmal alles von der Klassen- bis zur Akkumulationstheorie durcharbeitete oder schaute, was einem ein „Cyber-Marx“ im digitalen Zeitalter noch sagen könnte.

An zwei Abenden verlegte man Teile dieser ausufernden Geburtstagsfeierlichkeiten ins Theater Hebbel am Ufer, wo man in etwas glamouröserem Rahmen weiter diskutieren konnte als in den Seminarräumen der Rosa Luxemburg Stiftung am Franz-Mehring-Platz. Zum Rahmen gehörte hier auch ein Konzert der Band Kammerflimmer Kollektief, die besonders vom Marx-Kenner Dietmar Dath geliebt wird, der in diesen Tagen natürlich auch noch ein Büchlein über den berühmten Mann mit dem Rauschebart her­ausgebracht hat.

Vom britischen bildenden Künstler Phil Collins wurde der Film „Ceremony“ gezeigt, in dem eine Statue von Friedrich Engels, mit dem Marx das „Kommunistische Manifest“ verfasste hatte, auf eine Reise durch Europa nach Manchester geschickt wird, wo Engels eine Zeit lang lebte. Marx liefert eben nicht nur Diskussionsstoff, sondern es lässt sich auch künstlerisch noch etwas mit ihm anstellen.

Ägypten und Tunesien

Diskutiert wurde auch im HAU ausgiebig. Am Freitag wurde beim Panel „Gefährliche Klassen – Subjektivitäten zwischen Revolte und Revolution“ geschaut, wo es denn in der Welt auch heute noch etwas klassenkämpferisches Potenzial gibt, wenn schon bei uns diesbezüglich gerade nicht besonders viel los ist.

Von der tunesischen Aktivistin Samar Tilli und der ägyptischen Künstlerin Jasmina Metwaly, die beide in die Aufstände ihrer Länder in den letzten Jahren involviert waren, die man im Westen als „Arabischen Frühling“ begrüßte, erfuhr man jedoch eher Ernüchterndes.

Metwaly berichtete von ihrer Arbeit beim Kollektiv Mosireen, das in den Jahren 2011 bis 2014 Material rund um den Aufstand am Tahrirplatz in Kairo sammelte und online stellte. Sie zeigte ein paar Bilder von Hubschraubern über der Stadt, Teile einer gigantischen Bildersammlung über die Revolte, der auf dem Weg zur echten Revolution dann bekanntlich die Puste ausging.

Heute regiert in Ägypten wieder ein Diktator, und Metwaly befand resigniert, so richtig habe die ganze Arbeit nichts gebracht. Was der Moderator des Panels, Christian Frings, so dann aber auch nicht stehen lassen wollte. Das Archiv von Mosireen sei etwas wert und ein Teil der Geschichte, sagte er.

Auch die Tunesierin Samar Tilli wollte am Ende nicht den Eindruck vermitteln, dass die gefährlichen Klassen in ihrer Heimat, wo der Weg in eine freie Gesellschaft weiterhin ein langer ist, ihre Gefährlichkeit verloren hätten. „Vielleicht versuchen wir es in ein paar Jahren noch einmal“, sagte sie. Und dann war auch schon bald Schluss mit der viel zu kurzen Veranstaltung. Auch aus Respekt vor den Angehörigen der Arbeiterklasse, den Bühnentechnikern, denen Moderator Christian Frings als echter Marxist noch einmal ausdrücklich dankte, wurde die Runde pünktlich beendet.

Richtig in die Vollen gelangt: Was könnte uns „Cyber-Marx“ im digitalen Zeitalter noch sagen?

Falls es darum gegangen sein sollte, Karl Marx im Theater ein wenig sexier wirken zu lassen, ist das Konzept nicht wirklich aufgegangen. Was vielleicht aber auch daran lag, dass die erstaunlich vielen jungen Leute, die sich ins HAU begaben, ihren Marx gar nicht unbedingt leichter und bekömmlicher serviert bekommen wollten.

Begehren und Revolution

Auch am Samstag, dem (!) Tag des echten Geburtstages des Denkers aus Trier, wurde alles dafür getan, in eher ungezwungenem Rahmen zu diskutieren. Bei sogenannten Tischgesprächen fand man sich in Gruppen zusammen, um dann aber schnell zwischen Obst- und Keksschälchen das Theater freiwillig in die Uni zu verwandeln. Konzentriert ging es um Themenkomplexe wie „Begehren und Revolution“ und „Gattung, Liebe und Fetisch bei Karl Marx“. Da saß man dann da und konnte beispielsweise dem linken Theoretiker und Schriftsteller Raul Zelik dabei zuhören, wie er sich darüber beschwerte, dass die jungen Leute heute alles über Postcolonial Studies wissen würden, aber nichts mehr über Ökonomie, womit Grundvoraussetzungen für das marxistische Denken fehlen würden.

Dabei wurde schnell deutlich, dass die jungen Leute, die sich mit ihm am Tisch versammelt hatten, durchaus alles über Postcolonial Studies wissen wollen. Über Ökonomie und Karl Marx (und das ist die gute Nachricht für alle Marxisten von heute) aber tatsächlich auch.

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