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Sicher nicht mit dem Entwurf

Grünenfraktion sagt Nein zu Innensenator Ulrich Mäurers (SPD) Polizeigesetzes-Vorschlag

Von Benno Schirrmeister

Auch der nachgebesserte behördliche Entwurf für ein neues Polizeigesetz hat die Grünen-Fraktion nicht überzeugt. Das bestätigte am Dienstag deren innenpolitischer Sprecher Björn Fecker. „Wir sind derzeit nicht bereit, in ein Gesetzgebungsverfahren einzutreten“, sagte er der taz. Angesichts der geplanten Grundrechtseingriffe bedürfe es „einer breiten gesellschaftlichen Debatte, wie wir Sicherheit organisieren wollen“. Als „blumige Umschreibung dafür, dass die Grünen sich bis zur nächsten Wahl vor einer Entscheidung drücken wollen“, geißelte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die Absage.

Der Gesetzesentwurf aus seinem Hause sieht unter anderem eine Ausweitung der Videoüberwachung vor, die Überwachung von als Gefährdern eingestuften Menschen mittels elektronischen Fußfesseln und die Erlaubnis, dass die Polizei Telefongespräche von Leuten abhört und mitschneidet, deren Verhalten „die konkrete Wahrscheinlichkeit“ begründe, „dass sie innerhalb absehbarer Zeit eine terroristische Straftat begehen“.

Das ist eine unmittelbar aus dem Urteil des Bundesverfassungsgericht zum BKA-Gesetz übernommene Formulierung: „Einfach Karlsruhe abschreiben – das ist Schwachsinn“, hatte vor zwei Wochen bei einer Veranstaltung der Humanistischen Union der Berliner Staatsrechtler Clemens Arzt diesen innensenatorischen Versuch abgekanzelt, aus einem Richterspruch eine Norm zu machen. Tatsächlich war nicht einmal der zuständige Referent, immerhin Verfasser des Entwurfs, bei der Diskussion in der Lage, zu erklären, wie denn so eine konkrete Wahrscheinlichkeit aussehen könnte.

Sicher ist, dass damit die Strafverfolger, schon gegen die verdächtigten Bürger*innen tätig werden dürften, wenn von einer Tat noch nicht einmal die Umrisse erkennbar sind. „Das verlagert die Eingriffsbefugnisse der Polizei ins Vorfeld des Vorfeldes“, rügte nun Fecker den Vorschlag. „Das ist mit uns nicht zu machen.“

Während Mäurer das Votum des Koalitionspartners als „schweren Rückschlag für die innere Sicherheit“ wertete, begrüßte die Chefin der Linksfraktion, Kristina Vogt das Nein: „Dieser Gesetzentwurf gehört beerdigt“, sagte sie. Er sei „grundsätzlich falsch ausgerichtet“. So sei zu befürchten, dass bekannte IT-Sicherheitslücken aufrecht erhalten würden, um die Ausspähung zu erleichtern. Folge: Es würden neue Unsicherheiten, statt größerer Sicherheit produziert.

Um die ist es so schlecht nicht bestellt: Während sich aus der Kriminalstatistik die entspannteste Sicherheitslage seit mehr als 20 Jahren ergibt, soll das Gesetz nach Vorstellung seiner Verfasser die angemessene Reaktion auf schlimme Dinge sein wie „die Absage Fußballländerspiels Deutschland gegen die Niederlande in Hannover“ im Herbst 2015. Im Weser-Kurier hatte Mäurer zuletzt die Katastrophenstimmung geschürt: Der Staat sei dem modernen Verbrechen „im Grunde hilflos“ ausgeliefert.

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