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Beschichtung auf LebensmittelnNeue Haut, weniger Abfall?

Ein US-Start-up will bald in Europa Obst und Gemüse doppelt so lange haltbar machen. Lebensmittelretter freuen sich, Bauern sind skeptisch.

Viel länger haltbar? Das versprechen die Macher von Edipeel Foto: Megan Hodges/unsplash

Der US-Nachrichtensender CBS News nannte es bereits die „größte Revolution seit dem Kühlschrank“: Nun will das Start-up Apeel Sciences auch nach Europa expandieren. Deren Produkt „Edipeel“, kurz für „essbare Schale“, soll als unsichtbare Beschichtung auf Obst und Gemüse für eine doppelt so lange Haltbarkeit und weniger Abfall sorgen.

Das Produkt des kalifornischen Unternehmens mit rund 80 Mitarbeitern soll noch in diesem Monat in der EU zugelassen werden, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Die von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung geförderte Firma befindet sich noch in der Planungsphase, ist allerdings angeblich bereits in den USA, Mexiko, Peru, Chile, Südafrika, Japan und Südkorea zugelassen.

Die geschmacklose und nicht ertastbare Beschichtung halte Wasser innerhalb und Sauerstoff außerhalb des Obstes und verlangsame damit die „Atmung“ der Frucht, wirbt das Unternehmen. Ein Verzehr der Schicht sei unbedenklich, denn sie bestehe aus den Schalen und Kernen anderer Früchte. Darüber hinaus verspricht Apeel Sciences neben längerer Haltbarkeit auch einen besseren Geschmack und eine höhere Nährstoffdichte der Früchte.

Zeit gewinnen

„Es wäre wunderbar, wenn das positive Auswirkungen auf die Lebensmittelverschwendung hätte“, sagte Manuel Wiemann vom Lebensmittelschutzverein Foodsharing. Er würde es begrüßen, wenn beim Transport der Nahrung Energie gespart werde und Verkäufer sowie Verbraucher größere Zeitfenster zum Verzehr hätten. Das Grundproblem der ­Lebensmittelverschwendung könne so aber nicht gelöst werden, sagt Wiemann. Häufig sei es so, dass Obst, das nur kleine Makel aufweise, bereits weggeworfen werde. „Wertschätzung von Lebensmitteln kann man nicht durch Technik erzeugen.“

Deutlich kritischer sieht das hingegen Hans-Dieter Stallknecht vom Deutschen Bauern­verband. Er hält die Technologie für uninteressant: „Unsere Transport- und Logistikketten sind so gut ausgerüstet, dass eine Beschichtung nicht nötig ist.“ Stallknecht, Experte für Obst und Gemüse beim Bauern­verband, würde das ursprüngliche Produkt einer Behandlung nach der Ernte vorziehen. „Die Erdbeere muss frisch sein, ich will gar nicht, dass die sich zehn Tage hält, dann ist ja das Aroma weg.“ Dass durch die längere Haltbarkeit weniger weggeworfen werde, sei auch fraglich. Dies hänge von den Verbrauchern und Händlern ab, sagt Stallknecht.

Ob Edipeel bei deutschen Lebensmittelhändlern auf Interesse stößt, ist unklar. Cornelia Grüttgen von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie sagt, dass die Produktionskosten eine Rolle spielten, letzten Endes entscheide der Markt. Klar sei aber, dass die Anforderungen an Verpackungen stiegen, besonders in Sachen Nachhaltigkeit.

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8 Kommentare

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  • Ich finde den Ansatz des Unternehmens gut, weil er mir als Kunden länger die Möglichkeit gibt, etwas zu verzehren. Ich habe allerdings große Zweifel, dass es hierdurch zu weniger Abfall kommen wird.

     

    Selbst Früchte mit jetzt schon langer Haltbarkeit werden halt irgendwann weggeworfen, wenn sie nicht rechtzeitig gegessen worden sind.

  • Ich ärgere mich bereits jetzt über "lange haltbares", weitgehend geschmacksneutrales, Gemüse und Früchte, die nur aus Wasser zu bestehen scheinen.

    • @xxxLCxxx:

      "Darüber hinaus verspricht Apeel Sciences neben längerer Haltbarkeit auch einen besseren Geschmack und eine höhere Nährstoffdichte der Früchte."

      • @Pazuzu:

        Dann versprechen sie eindeutig zu viel. Eine "Verpackung" kann weder Geschmack, noch Nährgehalt steigern. Sie kann allenfalls dafür sorgen, dass diese langsamer abbauen. Hier wären wir dann wieder bei Ware, die möglichst lange halten soll.

        Ich mag mein Essen frisch. Ich mag keine Tomaten, mit denen man Tennis spielen kann. Ich mag kein Obst oder Gemüse, dem man nicht ansieht, wie lange es bereits gelagert wurde. Diese Erfindung geht eindeutig in die gleiche Richtung.

  • Alles kommt letzendlich auf Die energiebilanz an.

    An sich ist dies sicherlich interessant und vielversprechend

    Wenn die Energie zur Produktion und auch die prozesstechnik zur Produktion sehr aufwendig sind, könnte hier die umweltbilanz negativ sein.

    Es wäre gut, dass diese Aspekte auch in Tat Artikel einfließen.

  • Der Artikel geht am eigentlichen Nutzen vorbei. Edipeel ist vor allem dann sinnvoll, wenn keine lückenlose Kühlkette vorhanden ist, d.h. in weniger industrialisierten Ländern. Insofern liegt der Bauernverband nicht so falsch - hier wird es nicht gebraucht, aber in anderen Regionen kann die Entwicklung durchaus sehr nützlich sein.

    • @TheBox:

      Die vorhandenen "lückenlosen" Kühlketten scheinen mir vom Bauernverband und Ihnen ein seltsames Argument. Wieso gibt es dann in mittlerweile vielen Varianten länger haltbare (sog. "frische") Milch in den Kühlregalen? Und die Milch kommt nun wirklich aus D oder angrenzenden Ländern, einiges an Obst allerdings - wie es der Kunde wünscht - das ganze Jahr durch aus vielen Teilen der Welt.

       

      Ich denke eher, dass der Bauernverband hier Angst vor Konkurrenz hat. Seit wann steht der Bauernverband auf natürliche, frische Ware?

       

      Ich vermute mal, dass die Konsumenten das tatsächlich entscheiden werden - wie bei vielem anderen Unsinnigen auch. Nach dem Motto: Praktisch, dass die Erdbeeren eine Woche halten, bis am nächsten WE der Kuchen gebacken werden soll.

    • @TheBox:

      Wieder eine technologische Lösung, die von den eigentlichen Problemen ablenkt, die man auch einfach durch die Neuanordnung der im System bereits bestehenden Elemente erreichen kann. In diesem Fall sind natürlich die langen Lieferketten das Problem. Lokal konsumieren, global denken! Anstatt immer neue kleine Lösungchen zu finden, wie man auf Teufel komm raus an der globalisierten Weltwirtschaft festhalten kann.