Kolumne Liebeserklärung: Kampfhund Chico

Schlecht beleumundet und verachtet: ein Hund jenseits der Mainstreamgesellschaft. Aber die Agitation ist Klassenkampf von oben.

Zeichnung einer Fgur, die eine riesige Blume hält

Auch Kamphunde brauchen Liebe Foto: Tom

Weil jetzt alle über ihn herfallen wie ein Rudel Staffordshire-Mischlinge über ein Kleinkind, muss man ihn glatt doch mal ein wenig tröstlich knuddeln (nachdem man ihm sicherheitshalber vorher den Maulkorb angelegt hat): Der Kampfhund ist im wahrsten Sinne des Wortes der Underdog der Haustierszene.

Verwachsen, schlecht beleumundet, meist seltsam sabbernd, schielend, zu faltig, zu dick oder sonst wie jenseits der üblichen Schönheitsideale, unter fragwürdigen Umständen auf die Welt gekommen und womöglich auch noch mit Mundgeruch. Ein Hund jenseits der Mainstreamgesellschaft – der deshalb häufig auch gern von Menschen jenseits der Mainstreamgesellschaft gehalten wird.

Und beide werden genau deswegen von jenen, die die Main­stream­gesellschaft nach ihren Vorstellungen formen wollen, mit Inbrunst verachtet. Denn selten sieht man den Kampfhund gesittet vor dem Biosupermarkt wartend, schon eher knurrend vor Lidl. Agitation gegen Kampfhunde ist oft schlicht Klassenkampf von oben.

Sozialisation

Inwieweit die Tierchen überhaupt gefährlicher sind als andere Hunde entsprechender Größe, ist fragwürdig. Entscheidender ist die Sozialisation; da unterscheidet sich Bello oder eben Chico nicht groß vom Herrchen oder Frauchen.

Kommt es dann aber doch zum Äußersten, gilt die Empathie der Masse nur dem Hund – 250.000 Unterzeichner einer Onlinepetition fordern Gnade für jenen Chico, der in Hannover gerade seine Besitzer getötet hat. Das Schicksal der Besitzer scheint niemanden groß zu kümmern.

Tierschutz ist für gar nicht so wenige Leute eine elegante Form, die eigene (Menschen-)Feindlichkeit ungeniert auszuleben. Man wüsste gern, wie viele von denen, die fordern, der Hund dürfe nicht eingeschläfert werden, anschließend eine Currywurst verputzen.

Was also tun mit dem Hund? Auf einem Spezial-Gnadenhof durchfüttern, während für Lämmchen, Sau und Ochse niemand einen Finger rührt? In diesen Tagen wird oft nach China geblickt, von dort kann man viel lernen.

Auch der Chinese würde dem Kampfhund eine Liebeserklärung schreiben, denn Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. Und das eingesparte Geld stecken wir dann in ein schönes Artenschutz- oder Sozialprojekt.

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

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