: Scholz-Politik ohne Scholz
Am Mittwoch gibt es neuen Senat in Hamburg
Von Sven-Michael Veit
Hamburg ohne einen Bürgermeister Olaf Scholz – die Nachwehen der Bundestagswahl samt Aufstieg des Hamburger Regierungschefs zum Vizekanzler wirbelt Hamburg politisch gehörig durcheinander. Am Mittwoch soll der bisherige Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) von der Bürgerschaft zum neuen Ersten Bürgermeister gewählt werden. Voraussetzung ist, dass der Landesparteitag der Sozialdemokraten den in Bremen geborenen 52-jährigen Mediziner an diesem Sonnabend als Scholz-Nachfolger nominiert.
Das wird er mit Sicherheit tun, „aber bloß nicht einstimmig“, hofft ein prominenter Sozialdemokrat in Gedenken an das Schicksal des unglücklichen Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Auch Tschentschers Wahl in der Bürgerschaft wird problemlos verlaufen: In der SPD-Fraktion ist er wohl gelitten, auch der grüne Koalitionspartner schätzt Tschentschers „klare, konstruktive Ebene“, wie Fraktionschef Anjes Tjarks versichert.
Das ist eine freundliche Umschreibung dafür, dass Tschentscher, der niemals vor Zeugen lacht, absolut zuverlässig ist. Der versierte Finanzexperte hat acht Jahre lang zusammen mit Scholz für eine unaufgeregte Haushaltssanierungspolitik gesorgt. Er ist, kaum vorstellbar, mindestens so detailversessen wie Scholz. Am Regierungsstil wird sich mithin nicht viel ändern.
Dafür steht auch Tschentschers Nachfolger als Finanzsenator, der bisherige Fraktionschef Andreas Dressel, dessen Kür ebenfalls am Mittwoch im Landesparlament ansteht. Der 43-jährige Jurist hatte als klarer Favorit auf den Bürgermeister-Sessel gegolten, in einer Sitzung des SPD-Vorstandes vor zwei Wochen aber verzichtet. Seine Begründung: drei kleine Kinder und seine pflegebedürftige Mutter – noch immer ungewöhnlich für einen verheirateten Mann, mit dem Hinweis auf die familiäre Situation auf den ultimativen Karrieresprung zu verzichten.
Als Fraktionschef war Dressel unumstritten, zudem hat er sich den Ruf eines krisenerprobten Politik-Allrounders erarbeitet, der über wirklich jedes politische Thema aus dem Stegreif erschöpfend Auskunft geben kann. Zusammen mit seinem grünen Kollegen Tjarks hat er für die Koalition so manche heiße Kastanie aus dem Feuer geholt, vor allem in der Frage der Flüchtlingsunterbringung. Als politischer Troubleshooter wird Dressel fehlen, als Finanzsenator dort weitermachen, wo Tschentscher aufhörte. Rot-Grün regiert in Hamburg weiter so – auch ohne Olaf Scholz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen