: Tief aus dem dunklen Tal zu neuen Freuden
In einem phänomenalen Match besiegt Juan Martin del Potro den Schweizer Roger Federer und gewinnt sein erstes Masters-1000-Turnier
Aus Indian Wells Doris Henkel
Der unübersehbar glückliche Sieger traf die Sache perfekt, als er hinterher sagte, das sei in jeder Hinsicht ein unglaubliches Spiel gewesen. Ein Kracher, in dem Argentiniens bester Tennisspieler, Juan Martin del Potro nicht nur den zweiten Titel in drei Wochen gewann, sondern vor allem als Erster in diesem Jahr Roger Federer besiegte. Eine Geschenkpackung mit einer Fülle von Ballwechseln, bei denen die Zuschauer vor Begeisterung fast von den Sitzen fielen, mit kleinen Wutanfällen auf beiden Seiten, mit vergebenen Matchbällen hüben wie drüben, mit großen Schlägen und kleinen Nachlässigkeiten, präsentiert in einem ausverkauften Stadion unter blau-weißem Himmel.
Del Potro hätte die Sache schon beim ersten Matchball im Tiebreak des zweiten Satzes entscheiden können, Federer bei drei Matchbällen beim Stand von 5:4 im dritten. Mit diesem Sieg schnappte er sich seine erste Trophäe bei einem Turnier der Masters-1000-Serie und auch den ersten großen Titel nach drei Operationen am linken Handgelenk und einer ziemlich dunklen, depressiven Zeit vor drei Jahren, in der er beinahe alles hingeschmissen hätte. „Meine Fans geben mir so viel Liebe, auf dem Platz und auch abseits“, sagt er. „Und das hab ich damals, als ich verletzt war, am meisten vermisst. Jetzt freue ich einfach auf alles, was als Nächstes passiert; ich überrasche mich immer noch selbst, und ich will auf der Tour weiter überraschen.“
Ob sein Spiel nach den großen Problemen mit dem Handgelenk wieder genauso stark sei wie vor den Operationen? Keine Ahnung, meinte er nach dem Sieg gegen Federer (6:4, 6:7, 7:6). Vielleicht sei er jetzt fitter, weil er so ein Ding – und sein Blick landete verträumt beim Pokal – früher nicht gewonnen habe.
Federer hatte schon vor dem Finale gesagt, er freue sich sehr darüber, dass sich die Dinge bei dem Argentinier so gut entwickelt hätten. Jetzt habe er das Gefühl, del Potro sei wieder der Alte, und das sei einfach eine phänomenale Geschichte. Er selbst war mächtig enttäuscht, keine Frage, auch deshalb, weil er sich die drei vergebenen Matchbälle ebenso wenig erklären konnte wie den schnellen, klaren Rückstand im letzten Tiebreak („keine Ahnung, was da zum Teufel passiert war“). Fest steht jedenfalls, dass er trotz der ersten Niederlage nach 17 Siegen in diesem Jahr weiter an der Spitze der Weltrangliste stehen wird, fünf Plätze vor del Potro.
Der hätte sich vor zwei Wochen nach seinem Turniersieg in Acapulco sehr über die Prophezeiung gefreut, er werde in Indian Wells gleich den nächsten Pokal gewinnen. Was im Kopf und im Herzen dieses sehr speziellen Argentiniers vor sich geht, das war auch einer kleinen Geste zu entnehmen. Auf die Kamera schrieb er nach dem Finale den Namen Cesar und malte ein Herz dazu. Cesar hieß der riesige Neufundländer, der ihn zehn Jahre begleitet hatte und seit ein paar Wochen im Hundehimmel ist.
Jenen auf Erden, die von del Potro wissen wollen, wie man schwere Zeiten am besten übersteht, sagt er, eine magische Formel gebe es nicht. Seine Geschichte zeige, dass man niemals aufgeben und für seine Träume arbeiten solle. „Es ist eine gute Geschichte für Kids, um ihnen etwas über die Mühen des Lebens zu erzählen.“ Und über die Freude, die daraus entstehen kann.
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