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Champion des Winters

Der Boxklub Hamburg Giants öffnete bei den Minusgraden der vergangenen Tage seine Halle für Obdachlose. Dabei füllte er eine Lücke, die die Stadt bisher offen lässt

Von Liyang Zhao

Vor einer Stunde schlugen die Jungs der Hamburg Giants noch wild auf ihre Boxsäcke ein. Jetzt stehen vor dem Boxring Tische mit Wasser und Tee. Der Manager der Giants, Raiko Morales, kommt im grauen Kapuzenpulli herein, er trägt einige Teller mit Keksen. Nebenan duftet es nach Erbsensuppe und Kuchen. Am Boxring lehnt ein Sack Hundefutter. ,,Bei uns sind Zwei- und Vierbeiner willkommen“, sagt Morales.

Seit Dienstag ist die Boxhalle in Winterhude für Obdachlose geöffnet. ,,Es war eine spontane Idee, die wir am Sonntag hatten“, erzählt Raiko Morales. Die Giants stünden für „Loyalität und Zusammenarbeit“: „Deshalb war es für uns klar, dass wir bei einem solch extremen Wetter schnell reagieren müssen.“ Raiko Morales und sein Cousin und Managerkollege Christian Morales sind die vergangenen Nächte über in der Halle geblieben. Geschlafen haben sie kaum, erzählen sie.

Als um 21 Uhr die Obdachlosen hereinkommen, durchgefroren und voll bepackt, haben sie ein Lächeln im Gesicht. Es ist eine Gruppe von acht Rumänen. ,,Wollt ihr duschen?“, fragt Ömrü Özkan, Präsident des Hamburger Amateur-Box-Verbandes, der die Halle betreibt. Er trägt Handtücher auf dem Arm. Die Rumänen setzen sich an die Tische und beginnen, sich zu unterhalten.

Wie jedes Jahr bietet auch die Stadt Hamburg ein Winternotprogramm an. Hier können Obdachlose im Warmen übernachten. Allerdings werde das Programm „nur wenig angenommen“, sagt Susanne Schwendtke, Pressesprecherin des Betreibers Fördern und Wohnen. Derzeit gibt es noch rund 100 freie Plätze.

,,Die Menschen finden es abschreckend, in einer Einrichtung mit über 400 Personen zu übernachten, zumal viele von Ihnen psychisch labil sind“, meint Stephan Karrenbauer vom Straßenmagazin Hinz & Kunzt. Tatsächlich zählte Fördern und Wohnen am Donnerstagmorgen 664 Übernachtungsgäste. 760 Plätze stehen derzeit zur Verfügung.

Ein weiteres Hindernis könnten die strengen Regeln darstellen: Alkohol und Hunde bleiben draußen. Hundebesitzer können zwar ins Pik As ausweichen, einer Übernachtungsstätte für obdachlose Männer, aber die Plätze sind begrenzt: ,,Es gibt dort weniger als 20 Zimmer für Hundebesitzer. Und die sind in der Regel belegt“, sagt Karrenbauer. Obdachlose Hundebesitzer würden darum gebeten, ihre Hunde über Nacht ins Tierheim in der Süderstraße zu bringen und selbst im Winternotprogramm zu übernachten.

Die Rumänen im Boxklub erzählen, dass auch sie im Winternotprogramm abgewiesen worden seien. Stephan Karrenbauer von Hinz & Kunzt hat dafür eine Erklärung: ,,Ausländer, die eine Meldeadresse auf dem Ausweis haben, werden gebeten, zurück in ihre Heimat zu fahren. Man bietet ihnen eine Fahrkarte dafür an. Alternativ können sie in die Wärmestube, um nicht zu erfrieren. Dort gibt es allerdings keine Betten, letztes Jahr durften sie sich nicht einmal auf den Boden legen, sondern mussten die Nacht auf Stühlen verbringen“, berichtet Karrenbauer.

Marcel Schweitzer, Pressesprecher der Sozialbehörde, widerspricht: ,,Im Winternotprogramm wird niemand abgewiesen – erst Recht nicht wegen seiner Nationalität. Das Winternotprogramm wird zu 55 Prozent von Menschen aus südost- und osteuropäischen Ländern in Anspruch genommen. Diese Tatsache allein belegt: Die Behauptung ist falsch. Und Ausweise kontrollieren wir erst recht nicht.“

Wer allerdings zur Sozialberatung gehe und darlege, ein Haus oder eine Wohnung zu besitzen, werde „gebeten, dahin zurückzukehren“. Waren die rumänischen Gäste des Boxklubs also in der Sozialberatung? Oder haben sie die MitarbeiterInnen des Winternotprogramms einfach nur falsch verstanden?

In den vergangenen Tagen der Eiseskälte packten noch mehr Menschen mit an. Einige Ehrenamtler laufen schon seit einigen Tagen durch die Straßen und verteilen Schlafsäcke. Der gemeinnützige Verein Clubkinder eröffnet kommende Woche das ,,Winter Café“. Dort können sich Obdachlose in den Stunden, in denen das Winternotprogramm geschlossen hat, bei einer Tasse Kaffee oder Tee aufwärmen.

Der Boxverein wird die Halle am Freitag zunächst schließen, die Jungs fahren zu einem Wettkampf nach Schwerin. Aber Raiko Morales verspricht: „Wenn sich die Temperaturen nicht ändern, werden wir spätestens nächsten Dienstag wieder unsere Türen öffnen. Wir lassen niemanden bei der Kälte draußen stehen.“

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