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Europa geht vor

Warum das Bundesverwaltungs-gericht grünes Licht für Diesel-Fahrverbote gegeben hat

Aus Leipzig Christian Rath

Fahrverbote für Dieselfahrzeuge sind heute schon rechtlich möglich – wenn sie die einzige Möglichkeit sind, die Luftgrenzwerte einzuhalten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig entschieden. Einzige Änderung gegenüber den Vorinstanzen: Für „Euro 5“-Diesel dürfen Fahrverbote frühestens im September 2019 eingeführt werden.

Schon seit Jahren werden in vielen Städten die seit 2010 verbindlichen Grenzwerte für Stickoxide (NOx) überschritten. Dies führt jährlich zum vorzeitigen Tod von Tausenden Stadtbewohnern. Die jeweiligen Bundesländer müssen deshalb Luftreinhaltepläne aufstellen, in denen sie beschreiben, wie die Grenzwerte künftig eingehalten werden sollen. Kein einziges Bundesland hat bisher Dieselfahrverbote vorgesehen, obwohl Diesel-Kfz für 60 bis 70 Prozent der NOx-Belastung verantwortlich sind. Die Länder scheuen jedoch den Konflikt mit Dieselfahrern und der Autoindustrie. Sie behaupteten zudem, dass solche Fahrverbote derzeit rechtlich gar nicht möglich seien.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt derzeit auf Verschärfung der Luftreinhaltepläne für 19 Städte; nur in Hamburg klagt der BUND. Die Rechtsprechung war bisher uneinheitlich. Die Verwaltungsgerichte (VG) in Düsseldorf und Stuttgart hielten Fahrverbote für möglich. Der Verwaltungsgerichtshof München hielt Diesel-Beschränkungen zwar für unerlässlich, derzeit aber nicht umsetzbar, weil das passende Verkehrsschild fehle. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand das Urteil des VG Stuttgart, das ein ganzjähriges flächendeckendes Fahrverbot für alle Diesel-Fahrzeuge unterhalb der Norm „Euro 6“ für die einzig erfolgversprechende Maßnahme hielt.

In Leipzig ging es nun nur um die Frage, ob die Länder rechtlich die Möglichkeit haben, Fahrverbote in hoch belasteten Städten anzuordnen. Die Leipziger Richter stellten fest, dass solche Fahrverbote eigentlich nach deutschem Recht nicht vorgesehen sind. Das deutsche Recht müsse hier aber „unangewendet“ bleiben, wenn sonst die aus dem Europarecht stammenden Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Das BVerwG folgte damit dem Argument von DUH-Anwalt Remo Klinger.

Das BVerwG änderte aber die Urteile aus Stuttgart und Düsseldorf, indem es klare Vorgaben zur Verhältnismäßigkeit machte. Fahrverbote für Diesel-Kfz nach der bis Ende 2015 geltenden Norm „Euro 5“ dürfen frühestens im September 2019 eingeführt werden. Nur Fahrverbote für Diesel-Kfz der Normen „Euro 4“ und niedriger dürfen schon vorher angeordnet werden. Euro-5-Diesel haben aber wohl noch den größten Anteil an allen Diesel-Kfz.

Außerdem verlangt das BVerwG Ausnahmen für Handwerker und „bestimmte Anwohnergruppen“. Gemeint ist mit Letzterem wohl Lieferverkehr zu Händlern und Gaststätten.

Eine Entschädigungsregelung sei nicht erforderlich, erklärte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Ein Fahrverbot sei eine „Inhaltsbestimmung“ des Eigentums. Sie wäre nur entschädigungspflichtig, wenn sie unverhältnismäßig wäre. Das wollen die Richter aber durch die vorgesehenen Übergangs- und Ausnahmeregeln vermeiden. Korbmacher geht auch davon aus, dass „kein völliger Zusammenbruch des Diesel-Gebrauchtwarenmarktes“ droht. Schließlich sei „nur in wenigen Ballungsräumen“ mit Fahrverboten zu rechnen. Gewisse Wertverluste seien hinzunehmen.

Zwar sind Diesel-Fahrverbote derzeit schlecht kontrollierbar, denn die Bundesregierung verweigert die Einführung der sogenannten „blauen Plakette“ für relativ saubere Fahrzeuge. Dadurch würden Fahrverbote aber nicht unzulässig, so Richter Korbmacher. So könne etwa bei parkenden Autos anhand des Kfz-Kennzeichens beim Kraftfahrbundesamt die technischen Daten des Fahrzeugs abgefragt und bei Verstößen Bußgelder verhängt werden.

DUH-Chef Jürgen Resch geht davon aus, dass in rund 25 deutschen Städten nur Fahrverbote gegen die hohen NOx-Werte helfen können. Dort müssen die Länder nun die Luftreinhaltepläne um Fahrverbots-Regeln ergänzen. Da es sich um ein relativ aufwendiges Verfahren mit Bürgerbeteiligung handelt, wird es in den kommenden Monaten zunächst keine Fahrverbote geben. Das BVerwG nannte bisher keine Frist. Resch nimmt an, dass die Pläne Ende des Jahres verschärft sind.

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