Mit 16 Jahren schon reif für die Urne

Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) fordert ein niedrigeres Wahlalter bei den Landtagswahlen. Eine Studie hat ihn überzeugt

Die U-18-Wahl: mitwählen, aber nicht mitzählen Foto: Stefan Puchner/ picture alliance

Von Stefan Alberti

Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) hat sich überraschend dafür ausgesprochen, dass schon 16-Jährige an der Abgeordnetenhauswahl teilnehmen können. Bislang hatte der 61-Jährige ein niedrigeres Wahlalter abgelehnt. Umgestimmt habe ihn eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die darauf drängt, junge Menschen früh ins politische Geschehen einzubeziehen, sagte Wieland am Mittwoch vor Journalisten. Die Berliner SPD hat sich schon bei einem Parteitag im vergangenen Mai für das Wahlrecht mit 16 ausgesprochen. Die Partner in der rot-rot-grünen Koalition reagierten erfreut, die CDU als größte Oppositionsfraktion hingegen lehnt ein niedrigeres Wahlalter ab.

16-Jährige können derzeit in 4 der 16 Bundesländer die Landesparlamente wählen: in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen – und seit 2011 auch in Brandenburg. Den Landtag mitbestimmen konnten 16-Jährige dort erstmals bei der Wahl 2014. In Berlin dürfen 16-Jährige zwar auch schon an die Wahlurnen, jedoch nur mit den Wahlzetteln für die Bezirksverordnetenversammlungen. Aus Wielands Sicht sollte Berlin dem Beispiel der vier anderen Bundesländer folgen: „Ich würde mich freuen, wenn es in Berlin dazu eine Debatte geben würde“, sagte der SPD­ler, der seit 2011 Präsident des Abgeordnetenhauses ist.

„Der Vorschlag rennt bei uns offene Türen ein und ist Teil unseres Wahlprogramms“, hieß es von der Linkspartei, „wir sind überzeugt, dass Jugendliche durchaus in der Lage sind, politische Vorgänge zu bewerten und sich selbst politisch einzubringen.“ Auch die Berliner Grünen haben das niedrigere Wahlalter bereits bei den jüngsten Wahlen auf Landes- und Bundesebene gefordert. „Wer früh lernt, wählen zu gehen, setzt dies auch später fort und motiviert andere, auch zu wählen“, begründeten sie in ihrem Bundestagswahlprogramm 2017 diese Forderung.

Eine frühere Bindung ist auch der Punkt, der den Parlamentspräsidenten überzeugte. Wer nicht gleich bei der ersten Gelegenheit wähle, bleibe mit großer Wahrscheinlichkeit Nichtwähler, fasste Wieland die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie zusammen. „Mit 16 das Wahlrecht zu bekommen kann ein größerer Anreiz sein“, sagte er.

Für die Wahl des Bundestags soll Wielands Vorstoß aber nicht gelten

Das jetzige Wahlalter von 18 Jahren ist in der Berliner Landesverfassung festgeschrieben. Um die zu ändern, müssten mindestens zwei Drittel der 160 Abgeordnetenhausmitglieder zustimmen, also 107. SPD, Linkspartei und Grüne haben aber zusammen nur 92 Abgeordnete. Auch mit den 12 FDP-Parlamentariern würde es nicht reichen, auf die AfD würde die Koalition kaum bauen wollen – die Mehrheit hängt folglich an der 31 Köpfe starken CDU-Fraktion. Von der allerdings hieß es am Mittwoch: „An der grundsätzlichen Haltung der Fraktion dem Thema gegenüber hat sich nichts geändert.“ Und diese Haltung ist: Es soll beim Wählen mit 18 Jahren bleiben.

Zwei Gründe nennt der neue CDU-Fraktionssprecher Olaf Wedekind dafür: Zum einen sei es rechtlich nicht nachvollziehbar, mit 16 zwar wählen, aber – weil noch nicht volljährig – keine Verträge abschließen zu dürfen. Zum anderen zweifelt man bei der CDU daran, ob 16-Jährige schon die ausreichende Reife für eine verantwortliche Wahlentscheidung haben.

Die Koppelung an die Volljährigkeit war auch für Parlamentspräsident Wieland lange Zeit ein wichtiges Argument, eine Absenkung abzulehnen. In puncto Reife hingegen sieht er bei den jetzigen 16-Jährigen einen höheren Reifegrad. Einige Restzweifel hat Wieland aber offenbar noch: Denn seinen Vorstoß, ab 16 wählen zu lassen, will er nicht auch auf den Bundestag ausweiten: „Da geht es ja auch um Bundeswehreinsätze.“